Frankreichfeldzug (LFS07498) : Différence entre versions
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Offizier und Soldaten vor einem Gebäude; L'Aubette, Place Kleber mit Denkmal von Jean-Baptiste Kleber; Schild <Beratungsstelle der NSDAP Abt. Mutter u. Kind>; Büro, Männer am Schreibtisch; Soldaten steigen in Auto ein; Schwenk durch Büro (dunkel); Schild <Heilstube>; Schwenk durch Raum mit Bett und Waschbecken; Soldaten mit Spaten gehen über Hof; Schild <Dienststelle der Feldpost No 33971>; Soldat als Wache am Eingang einer Fabrik; Soldaten mit Spaten; Männer mit entblößtem Oberkörper bei der Arbeit; Soldat streichelt Hund; Innenraum (dunkel). // | Offizier und Soldaten vor einem Gebäude; L'Aubette, Place Kleber mit Denkmal von Jean-Baptiste Kleber; Schild <Beratungsstelle der NSDAP Abt. Mutter u. Kind>; Büro, Männer am Schreibtisch; Soldaten steigen in Auto ein; Schwenk durch Büro (dunkel); Schild <Heilstube>; Schwenk durch Raum mit Bett und Waschbecken; Soldaten mit Spaten gehen über Hof; Schild <Dienststelle der Feldpost No 33971>; Soldat als Wache am Eingang einer Fabrik; Soldaten mit Spaten; Männer mit entblößtem Oberkörper bei der Arbeit; Soldat streichelt Hund; Innenraum (dunkel). // | ||
+ | |Contexte_et_analyse_de=Eine Fassade zeichnet sich ab im Halbdunkel, bis der Schwenk auf dem Kirchturm endet. Es ist die Westfassade des Straßburger Münsters, deren gotische Formen sich in einem Aufwärtsstreben verdichten. Die Kamera scheint diese Bewegung zu wiederholen, doch was zunächst noch mehrdeutig erscheint in der Fülle des Fassadenmusters, erweist sich schnell als Geste des Siegers: deutsche Soldaten haben Straßburg besetzt – das Bild des Münsters wie dann der Blick vom Turm herab werden zur Trophäe im Visuellen. | ||
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+ | Auch das Fahren durch die Stadt wird zur Machtgeste: Die Radfahrer vor dem Militärwagen geraten durch die Windschutzscheibe geradezu ins Visier. Filmische Techniken haben ihren Ursprung in militärischen Techniken, die dazu dienten, das Gelände aufzuklären – diese These wird anschaulich nachvollziehbar in diesem kurzen Amateurfilm aus dem Westfeldzug, der am 10. Mai 1940 begann und bereits einige Wochen später, am 22. Juni, mit der Kapitulation Frankreichs endete. | ||
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+ | Am 1. September 1939 hatte mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg begonnen. Frankreich und Großbritannien erklärten dem Deutschen Reich daraufhin den Krieg, es folgte jedoch zunächst eine Periode des Sitzkriegs, während der die Kriegsparteien sich nur beobachteten. Am 10. Mai 1940 trat der von Hitler und seinem Generalstab geplante „Fall Gelb“ ein, der Einmarsch deutscher Truppen in Belgien, den Niederlanden und Luxembourg. Der „Fall Rot“ schloss sich Anfang Juni an: In einem Blitzkrieg mit kombiniertem Panzer- und Lufteinsatz erwiesen sich die Deutschen der alliierten Verteidigungsstrategie als überlegen und nahmen bereits am 14. Juni Paris ein. Am 22. Juni wurde der Waffenstillstand von Compiègne geschlossen. | ||
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+ | Das Liebfrauenmünster in Straßburg, das 1940 die Blicke der deutschen Besatzer auf sich zieht, gehört zu den bedeutendsten Kathedralen der Architekturgeschichte. Von 1176 bis 1439 aus Vogesensandstein errichtet, wurde der Bau zunächst im romanischen, dann im gotischen Stil gestaltet. Mit seinem 142 Meter hohen Nordturm war das Münster von 1647 bis 1874 das höchste Bauwerk der Welt und das höchste im Mittelalter fertig gestellte Gebäude. Der junge Johann Wolfgang Goethe sah im Liebfrauenmünster seine Auffassung von wahrer Kunst verwirklicht und widmete 1773 seinen Aufsatz „Von Deutscher Baukunst“ einem der Architekten der Kirche, Erwin von Steinbach. | ||
+ | Straßburg war mit Beginn des Zweiten Weltkriegs evakuiert worden. Bis zur Besetzung durch die Wehrmachtstruppen im Juni 1940 befand sich abgesehen von kasernierten Soldaten niemand in der Stadt. Das Häusermeer dieser verlassenen Stadt gleitet vorüber in der Sicht von oben und bindet sich schließlich an den Blick von Soldaten, die in Rückansicht zu sehen sind, oben auf dem Kirchturm stehend. Bilder werden zur Beute: Abbilder, in denen das Sichtbare zum Objekt wird, so wie auch in den Stadtansichten, die im Auto verwackelt vorbei huschen und immer wieder zu Totalaufnahmen gerinnen: eine Straßenflucht mit Kränen, die Rheinlandschaft, eine Behelfsbrücke und Ruinen von zerstörten Häusern. Doch für Sekunden erscheint die Stadt auch als Bild im Bild, aufgenommen durch zwei Öffnungen in einem dunklen Raum – und entzieht sich dem „männlichen“ Blick der Sieger, indem sie nahezu in der Ferne verschwindet. | ||
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+ | Der Anspruch des Dokumentarischen macht sich bemerkbar, wenn nun die Unterkünfte an der Reihe sind: der Aufenthaltsraum mit den vollbesetzten Tischen und die Schlafplätze, gewissenhaft abgeschwenkt. Bei einer Entladung von Lastwägen werden mehr und mehr geplünderte Güter der Kamera entgegengetragen. Das Halbdunkel, das die Szene einhüllt – in der Halle mit der Überfülle der angehäuften Dinge lässt es dieses ‚Bild‘ einer Plünderung umso mehr als das erscheinen, was es ist. | ||
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+ | Der NS-Staat war wesentlich eine neue Form administrativer Kontrolle des Lebens, die sich nun im besetzten Land etabliert. Mehrfach geht ein Schwenk durch dunkle Räume, die für die Aufnahme nicht extra ausgeleuchtet sind. Darin zeichnen sich die uniformierten Gestalten an den Schreibtischen ab wie in einer kafkaesken Szenerie. Aufnahmen von der „Heilstube“, dem Krankenzimmer, entwickeln sich zu einem kleinen szenischen Ablauf, bei dem ein Schnitt auf den gestikulierenden Kranken im Bett von Blicken auf die Aufsichtsperson im Vorraum eingerahmt wird. | ||
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+ | Nicht nur in den Innenräumen gewinnen die Bilder immer wieder surreale Züge, auch auf dem Hof der „Dienststelle Feldpost No. 33971“ grenzt das Dokumentarische an das Fiktionale. Ein Schwenk gleitet über eine Reihe stillstehender Soldaten, eine Frontalaufnahme zeigt den Aufenthaltsbereich mit Feldküche wie ein Filmset in geometrischen Formen. Und der Soldat, der den Hund vor seiner Hütte liebevoll tätschelt, ist Teil der Fiktion, die die Nationalsozialisten von sich selbst entwarfen – vorgeführt in einem Amateurfilm, der die Besetzung Straßburgs dokumentiert. Reiner Bader | ||
+ | |Bibliographie=Virilio, Paul: Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung, Frankfurt / M. 1989. | ||
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+ | Straßburger Münster (https://de.m.wikipedia.org). | ||
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Version du 10 février 2020 à 10:45
Résumé
Description
Soldaten besichtigen das Straßburger Münster; Schwenk über die Stadt; Fahrtaufnahme aus dem Auto; Soldaten laden Fahrräder von einem Lastwagen; Soldat, im Hintergrund Brücke; Fahrt von Autos über eine Behelfsbrücke; Schwenk über kriegszerstörte Häuser; Schwenk durch Innenraum (dunkel); Raum mit beschlagnahmtem Hausrat; Soldat schleppt Nähmaschine; Soldaten beladen Lastwagen mit Hausrat (v.E.);
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Offizier und Soldaten vor einem Gebäude; L'Aubette, Place Kleber mit Denkmal von Jean-Baptiste Kleber; Schild <Beratungsstelle der NSDAP Abt. Mutter u. Kind>; Büro, Männer am Schreibtisch; Soldaten steigen in Auto ein; Schwenk durch Büro (dunkel); Schild <Heilstube>; Schwenk durch Raum mit Bett und Waschbecken; Soldaten mit Spaten gehen über Hof; Schild <Dienststelle der Feldpost No 33971>; Soldat als Wache am Eingang einer Fabrik; Soldaten mit Spaten; Männer mit entblößtem Oberkörper bei der Arbeit; Soldat streichelt Hund; Innenraum (dunkel). //
Contexte et analyse
Eine Fassade zeichnet sich ab im Halbdunkel, bis der Schwenk auf dem Kirchturm endet. Es ist die Westfassade des Straßburger Münsters, deren gotische Formen sich in einem Aufwärtsstreben verdichten. Die Kamera scheint diese Bewegung zu wiederholen, doch was zunächst noch mehrdeutig erscheint in der Fülle des Fassadenmusters, erweist sich schnell als Geste des Siegers: deutsche Soldaten haben Straßburg besetzt – das Bild des Münsters wie dann der Blick vom Turm herab werden zur Trophäe im Visuellen.
Auch das Fahren durch die Stadt wird zur Machtgeste: Die Radfahrer vor dem Militärwagen geraten durch die Windschutzscheibe geradezu ins Visier. Filmische Techniken haben ihren Ursprung in militärischen Techniken, die dazu dienten, das Gelände aufzuklären – diese These wird anschaulich nachvollziehbar in diesem kurzen Amateurfilm aus dem Westfeldzug, der am 10. Mai 1940 begann und bereits einige Wochen später, am 22. Juni, mit der Kapitulation Frankreichs endete.
Am 1. September 1939 hatte mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen der Zweite Weltkrieg begonnen. Frankreich und Großbritannien erklärten dem Deutschen Reich daraufhin den Krieg, es folgte jedoch zunächst eine Periode des Sitzkriegs, während der die Kriegsparteien sich nur beobachteten. Am 10. Mai 1940 trat der von Hitler und seinem Generalstab geplante „Fall Gelb“ ein, der Einmarsch deutscher Truppen in Belgien, den Niederlanden und Luxembourg. Der „Fall Rot“ schloss sich Anfang Juni an: In einem Blitzkrieg mit kombiniertem Panzer- und Lufteinsatz erwiesen sich die Deutschen der alliierten Verteidigungsstrategie als überlegen und nahmen bereits am 14. Juni Paris ein. Am 22. Juni wurde der Waffenstillstand von Compiègne geschlossen.
Das Liebfrauenmünster in Straßburg, das 1940 die Blicke der deutschen Besatzer auf sich zieht, gehört zu den bedeutendsten Kathedralen der Architekturgeschichte. Von 1176 bis 1439 aus Vogesensandstein errichtet, wurde der Bau zunächst im romanischen, dann im gotischen Stil gestaltet. Mit seinem 142 Meter hohen Nordturm war das Münster von 1647 bis 1874 das höchste Bauwerk der Welt und das höchste im Mittelalter fertig gestellte Gebäude. Der junge Johann Wolfgang Goethe sah im Liebfrauenmünster seine Auffassung von wahrer Kunst verwirklicht und widmete 1773 seinen Aufsatz „Von Deutscher Baukunst“ einem der Architekten der Kirche, Erwin von Steinbach. Straßburg war mit Beginn des Zweiten Weltkriegs evakuiert worden. Bis zur Besetzung durch die Wehrmachtstruppen im Juni 1940 befand sich abgesehen von kasernierten Soldaten niemand in der Stadt. Das Häusermeer dieser verlassenen Stadt gleitet vorüber in der Sicht von oben und bindet sich schließlich an den Blick von Soldaten, die in Rückansicht zu sehen sind, oben auf dem Kirchturm stehend. Bilder werden zur Beute: Abbilder, in denen das Sichtbare zum Objekt wird, so wie auch in den Stadtansichten, die im Auto verwackelt vorbei huschen und immer wieder zu Totalaufnahmen gerinnen: eine Straßenflucht mit Kränen, die Rheinlandschaft, eine Behelfsbrücke und Ruinen von zerstörten Häusern. Doch für Sekunden erscheint die Stadt auch als Bild im Bild, aufgenommen durch zwei Öffnungen in einem dunklen Raum – und entzieht sich dem „männlichen“ Blick der Sieger, indem sie nahezu in der Ferne verschwindet.
Der Anspruch des Dokumentarischen macht sich bemerkbar, wenn nun die Unterkünfte an der Reihe sind: der Aufenthaltsraum mit den vollbesetzten Tischen und die Schlafplätze, gewissenhaft abgeschwenkt. Bei einer Entladung von Lastwägen werden mehr und mehr geplünderte Güter der Kamera entgegengetragen. Das Halbdunkel, das die Szene einhüllt – in der Halle mit der Überfülle der angehäuften Dinge lässt es dieses ‚Bild‘ einer Plünderung umso mehr als das erscheinen, was es ist.
Der NS-Staat war wesentlich eine neue Form administrativer Kontrolle des Lebens, die sich nun im besetzten Land etabliert. Mehrfach geht ein Schwenk durch dunkle Räume, die für die Aufnahme nicht extra ausgeleuchtet sind. Darin zeichnen sich die uniformierten Gestalten an den Schreibtischen ab wie in einer kafkaesken Szenerie. Aufnahmen von der „Heilstube“, dem Krankenzimmer, entwickeln sich zu einem kleinen szenischen Ablauf, bei dem ein Schnitt auf den gestikulierenden Kranken im Bett von Blicken auf die Aufsichtsperson im Vorraum eingerahmt wird.
Nicht nur in den Innenräumen gewinnen die Bilder immer wieder surreale Züge, auch auf dem Hof der „Dienststelle Feldpost No. 33971“ grenzt das Dokumentarische an das Fiktionale. Ein Schwenk gleitet über eine Reihe stillstehender Soldaten, eine Frontalaufnahme zeigt den Aufenthaltsbereich mit Feldküche wie ein Filmset in geometrischen Formen. Und der Soldat, der den Hund vor seiner Hütte liebevoll tätschelt, ist Teil der Fiktion, die die Nationalsozialisten von sich selbst entwarfen – vorgeführt in einem Amateurfilm, der die Besetzung Straßburgs dokumentiert. Reiner BaderLieux ou monuments
Bibliographie
Virilio, Paul: Krieg und Kino. Logistik der Wahrnehmung, Frankfurt / M. 1989.
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