Fahnenstafette (LFS 01421 7) : Différence entre versions

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|Resume_de=Fahnenstaffette unteilbares Deutschland 17.06.1963
 
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|Contexte_et_analyse_en=Der 17. Juni, der „Tag der deutschen Einheit“, war bis in die 1960er Jahre der zentrale Aktionstag des „Kuratoriums Ungeteiltes Deutschland“ und war bis 1990 in der Bundesrepublik ein gesetzlicher Feiertag. Er erinnerte an den Volksaufstand in der DDR 1953. Gegründet 1954, hatte das Kuratorium sich zum Ziel gesetzt „durch die Äußerung des deutschen Volkes“ die Unterstützung „vor allem der Amerikaner“ für die deutsche Einheit zu gewinnen. Der Wille des Volkes zur Einheit sei bei der Berliner Konferenz 1954, dem Außenministertreffen der vier Siegermächte, nicht sichtbar geworden, so klagte der damalige FDP-Vorsitzende Thomas Dehler, der auch Mitglied des Kuratoriums war. Die Forderungen des Kuratoriums waren ein Dorn im Auge des Adenauer-Lagers in der CDU, für das das Primat der Westbindung vor der Wiedervereinigung galt. Zu den Mitgliedern des Kuratoriums gehörten prominente Politiker, unter anderen der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner und Bundesminister für besondere Aufgaben, Franz Josef Strauß.
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Die „Fahnenstaffeln der deutschen Jugend zur Zonengrenze“ zählten zwischen 1959 und 1967 zu den Hauptaktivitäten des Kuratoriums – beispielhaft veranschaulicht von der Veranstaltung in Philippsburg, einer Fahnenübergabe, die am 25. Mai 1963 stattfand. Händeschütteln zunächst – der kleine Film über das Ereignis schwenkt und schneidet etwas unentschieden zwischen den Grüppchen hin und her, den Vertretern der Stadt, der Parteien und des Kuratoriums, die sich versammeln. Eine Ankündigung im Philippsburger Stadtanzeiger hatte darüber informiert, dass die Stafette von Saarbrücken zur Zonengrenze auch Philippsburg berührt. Dort sollten mit einer kleinen Feier die Fahnen an die nächste Gruppe übergeben werden.
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Die Radfahrer kommen in einer Totalen in den Blick, sie sind abgestiegen, schieben ihre Räder zum Versammlungsort, allen voran halten zwei junge Männer das Transparent mit der Aufschrift „Unteilbares Deutschland“. Dahinter biegen die Jugendlichen mit den Länderfahnen um die Ecke,
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23 an der Zahl, einschließlich der Flaggen der ehemaligen preußischen Provinzen östlich der Oder-Neiße-Grenze. Die Fahnenstaffeln starteten bereits mehrere Wochen vor dem Feiertag, um neben den Fahnen eine Pergamentrolle zur nächsten Station zu bringen, in die sich die örtlichen Honoratioren eintrugen.
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Die Veranstalter zählten zehntausende Aktive Jahr für Jahr. Zum Abschluss fand alljährlich eine zentrale Kundgebung in West-Berlin statt, die von Rundfunk und Fernsehen übertragen wurde. Eine Abordnung der Fahnenstafetten übergab dem Regierenden Bürgermeister – 1963 war dies Willy Brandt – eine Pergamentrolle, und neben Brandt hielt ein prominenter Politiker die Kundgebungsrede vor dem Schöneberger Rathaus. Zu Beginn der 1960er Jahre fanden sich dazu meist über 100.000 Menschen ein. Doch die Kritik wollte nicht verstummen: Kommentatoren der Presse, Politiker und viele Aktive bemängelten die fehlende Beteiligung an den Veranstaltungen. Obwohl die Teilnehmerzahlen an den Kundgebungen insgesamt beachtlich waren – 1963 dürfte die Millionengrenze überschritten worden sein – , wurde kritisiert, dass die große Mehrheit der Bevölkerung den Aktionen fernblieb und am Feiertag ins Grüne fuhr.
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Auch auf dem Philippsburger Marktplatz kommen eher wenig Zuschauer in den Blick, wenn der kurze Film weiter dem Ritual der Fahnenübergabe folgt. Die nächsten Einstellungen zeigen die Jugendlichen, wie sie sich mit ihren Rädern in einer Reihe nebeneinander aufstellen. Eine Blaskapelle rückt im Vordergrund ins Bild, dann wird im Hintergrund das Rednerpult sichtbar. Der Philippsburger Stadtanzeiger kündigte drei Redner für die Veranstaltung an: Grußworte des Bürgermeisters Frank, des Landrats Dr. Müller sowie des Präsidenten Gengler, dem Vorsitzenden des Landeskuratoriums Unteilbares Deutschland in Baden-Württemberg. Der Film springt noch etwas unbeholfen von einer Seite auf die andere, wenn er die beiden Ersten am Rednerpult zeigt. Ein „Aufruf zum Tag der deutschen Einheit“, den das Kuratorium im Philippsburger Stadtanzeiger veröffentlichte, kann etwas von dem vermitteln, worum es den Rednern ging: „Wir stehen gemeinsam vor der noch immer unbewältigten Aufgabe, Freiheit und Selbstbestimmung für ganz Deutschland zu erringen... Das Schwergewicht des Tages der Deutschen Einheit liegt im Bekenntnis der freien Deutschen zu ihren Mitbürgern im unfreien Deutschland. Gute Absicht und gute Gesinnung allein genügen in der Politik nicht. Sie müssen bewiesen und sichtbar gemacht werden. Das ist der Sinn und die politische Verpflichtung, die in den öffentlichen Veranstaltungen zum 17. Juni liegen.“
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Der Höhepunkt der Veranstaltung, die Übergabe der Fahnen, erfolgt im Film eher beiläufig in einer halb totalen Einstellung – die Sicht bleibt eingeschränkt durch die Zuschauer im Vordergrund. Ein Sprung in die Halbnahe lässt die Politiker erkennen, die sich in die Pergamentrolle eintragen, und die Atmosphäre verdichtet sich dann doch noch kurz, wenn alle stillstehen und der Blick in die Tiefe geht entlang der neuen Staffel. In der Schlusstotalen fährt sie mit wehenden Fahnen davon in Richtung Oberhausen.
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Dem Kuratorium Ungeteiltes Deutschland war es – nach der zweiten Berlinkrise 1958 – gelungen, die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit zu dominieren. Die Berlinkrise zwang zu einer Gemeinsamkeit – ihren sichtbarsten Ausdruck fand sie in den Aktionen des Kuratoriums. Die wichtigste politische Folge war die grundlegende außen- und deutschlandpolitische Einigkeit zwischen Regierung und Opposition. Ab Mitte der 1960er Jahre stagnierte die Beteiligung an den Aktionen, um dann kontinuierlich zurückzugehen. Ende des Jahrzehnts wurden sie weitgehend aufgegeben. Die Demonstration gegen die DDR passte nicht in den Rahmen der Entspannungspolitik. Nach der Wiedervereinigung löste sich das Kuratorium 1992 auf.
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Reiner Bader
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|Bibliographie=MEYER, Christoph, Deutschland zusammenhalten. Wilhelm Wolfgang Schütz und sein „Unteilbares Deutschland“, in: Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/188966/deutschland-zusammenhalten-wilhelm-wolfgang-schuetz-und-sein-unteilbares-deutschland
 
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Version du 16 septembre 2019 à 14:01


Avertissement[1]

Résumé


Fahnenstaffette unteilbares Deutschland 17.06.1963

Métadonnées

N° support :  LFS 01421 7
Date :  1962
Coloration :  Couleur
Son :  Muet
Durée :  00:02:49
Format original :  8 mm
Genre :  Film amateur
Thématiques :  Construction européenne, Identité
Institution d'origine :  Haus des Dokumentarfilms

Contexte et analyse


Der 17. Juni, der „Tag der deutschen Einheit“, war bis in die 1960er Jahre der zentrale Aktionstag des „Kuratoriums Ungeteiltes Deutschland“ und war bis 1990 in der Bundesrepublik ein gesetzlicher Feiertag. Er erinnerte an den Volksaufstand in der DDR 1953. Gegründet 1954, hatte das Kuratorium sich zum Ziel gesetzt „durch die Äußerung des deutschen Volkes“ die Unterstützung „vor allem der Amerikaner“ für die deutsche Einheit zu gewinnen. Der Wille des Volkes zur Einheit sei bei der Berliner Konferenz 1954, dem Außenministertreffen der vier Siegermächte, nicht sichtbar geworden, so klagte der damalige FDP-Vorsitzende Thomas Dehler, der auch Mitglied des Kuratoriums war. Die Forderungen des Kuratoriums waren ein Dorn im Auge des Adenauer-Lagers in der CDU, für das das Primat der Westbindung vor der Wiedervereinigung galt. Zu den Mitgliedern des Kuratoriums gehörten prominente Politiker, unter anderen der Bundesminister für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner und Bundesminister für besondere Aufgaben, Franz Josef Strauß.

Die „Fahnenstaffeln der deutschen Jugend zur Zonengrenze“ zählten zwischen 1959 und 1967 zu den Hauptaktivitäten des Kuratoriums – beispielhaft veranschaulicht von der Veranstaltung in Philippsburg, einer Fahnenübergabe, die am 25. Mai 1963 stattfand. Händeschütteln zunächst – der kleine Film über das Ereignis schwenkt und schneidet etwas unentschieden zwischen den Grüppchen hin und her, den Vertretern der Stadt, der Parteien und des Kuratoriums, die sich versammeln. Eine Ankündigung im Philippsburger Stadtanzeiger hatte darüber informiert, dass die Stafette von Saarbrücken zur Zonengrenze auch Philippsburg berührt. Dort sollten mit einer kleinen Feier die Fahnen an die nächste Gruppe übergeben werden.

Die Radfahrer kommen in einer Totalen in den Blick, sie sind abgestiegen, schieben ihre Räder zum Versammlungsort, allen voran halten zwei junge Männer das Transparent mit der Aufschrift „Unteilbares Deutschland“. Dahinter biegen die Jugendlichen mit den Länderfahnen um die Ecke, 23 an der Zahl, einschließlich der Flaggen der ehemaligen preußischen Provinzen östlich der Oder-Neiße-Grenze. Die Fahnenstaffeln starteten bereits mehrere Wochen vor dem Feiertag, um neben den Fahnen eine Pergamentrolle zur nächsten Station zu bringen, in die sich die örtlichen Honoratioren eintrugen.

Die Veranstalter zählten zehntausende Aktive Jahr für Jahr. Zum Abschluss fand alljährlich eine zentrale Kundgebung in West-Berlin statt, die von Rundfunk und Fernsehen übertragen wurde. Eine Abordnung der Fahnenstafetten übergab dem Regierenden Bürgermeister – 1963 war dies Willy Brandt – eine Pergamentrolle, und neben Brandt hielt ein prominenter Politiker die Kundgebungsrede vor dem Schöneberger Rathaus. Zu Beginn der 1960er Jahre fanden sich dazu meist über 100.000 Menschen ein. Doch die Kritik wollte nicht verstummen: Kommentatoren der Presse, Politiker und viele Aktive bemängelten die fehlende Beteiligung an den Veranstaltungen. Obwohl die Teilnehmerzahlen an den Kundgebungen insgesamt beachtlich waren – 1963 dürfte die Millionengrenze überschritten worden sein – , wurde kritisiert, dass die große Mehrheit der Bevölkerung den Aktionen fernblieb und am Feiertag ins Grüne fuhr.

Auch auf dem Philippsburger Marktplatz kommen eher wenig Zuschauer in den Blick, wenn der kurze Film weiter dem Ritual der Fahnenübergabe folgt. Die nächsten Einstellungen zeigen die Jugendlichen, wie sie sich mit ihren Rädern in einer Reihe nebeneinander aufstellen. Eine Blaskapelle rückt im Vordergrund ins Bild, dann wird im Hintergrund das Rednerpult sichtbar. Der Philippsburger Stadtanzeiger kündigte drei Redner für die Veranstaltung an: Grußworte des Bürgermeisters Frank, des Landrats Dr. Müller sowie des Präsidenten Gengler, dem Vorsitzenden des Landeskuratoriums Unteilbares Deutschland in Baden-Württemberg. Der Film springt noch etwas unbeholfen von einer Seite auf die andere, wenn er die beiden Ersten am Rednerpult zeigt. Ein „Aufruf zum Tag der deutschen Einheit“, den das Kuratorium im Philippsburger Stadtanzeiger veröffentlichte, kann etwas von dem vermitteln, worum es den Rednern ging: „Wir stehen gemeinsam vor der noch immer unbewältigten Aufgabe, Freiheit und Selbstbestimmung für ganz Deutschland zu erringen... Das Schwergewicht des Tages der Deutschen Einheit liegt im Bekenntnis der freien Deutschen zu ihren Mitbürgern im unfreien Deutschland. Gute Absicht und gute Gesinnung allein genügen in der Politik nicht. Sie müssen bewiesen und sichtbar gemacht werden. Das ist der Sinn und die politische Verpflichtung, die in den öffentlichen Veranstaltungen zum 17. Juni liegen.“

Der Höhepunkt der Veranstaltung, die Übergabe der Fahnen, erfolgt im Film eher beiläufig in einer halb totalen Einstellung – die Sicht bleibt eingeschränkt durch die Zuschauer im Vordergrund. Ein Sprung in die Halbnahe lässt die Politiker erkennen, die sich in die Pergamentrolle eintragen, und die Atmosphäre verdichtet sich dann doch noch kurz, wenn alle stillstehen und der Blick in die Tiefe geht entlang der neuen Staffel. In der Schlusstotalen fährt sie mit wehenden Fahnen davon in Richtung Oberhausen.

Dem Kuratorium Ungeteiltes Deutschland war es – nach der zweiten Berlinkrise 1958 – gelungen, die Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit zu dominieren. Die Berlinkrise zwang zu einer Gemeinsamkeit – ihren sichtbarsten Ausdruck fand sie in den Aktionen des Kuratoriums. Die wichtigste politische Folge war die grundlegende außen- und deutschlandpolitische Einigkeit zwischen Regierung und Opposition. Ab Mitte der 1960er Jahre stagnierte die Beteiligung an den Aktionen, um dann kontinuierlich zurückzugehen. Ende des Jahrzehnts wurden sie weitgehend aufgegeben. Die Demonstration gegen die DDR passte nicht in den Rahmen der Entspannungspolitik. Nach der Wiedervereinigung löste sich das Kuratorium 1992 auf.

Reiner Bader

Bibliographie


MEYER, Christoph, Deutschland zusammenhalten. Wilhelm Wolfgang Schütz und sein „Unteilbares Deutschland“, in: Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de/geschichte/zeitgeschichte/deutschlandarchiv/188966/deutschland-zusammenhalten-wilhelm-wolfgang-schuetz-und-sein-unteilbares-deutschland



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