Erster Mai (LFS00242) : Différence entre versions
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− | |Resume_de= | + | |Resume_de=Die 1. Mai Kundgebung 1938 in Lahr mit Umzug wird wegen des schlechten Wetters am 2. Mai wiederholt. |
+ | |Contexte_et_analyse_de=Schneeregen fällt an diesem 1. Mai 1936 in Lahr. Auf dem Hof, auf dem die Veranstaltung stattfindet, glänzen die Pfützen, und der Aufmarsch, der in Dreierreihen direkt an der Kamera vorbeizieht, wirkt eigentümlich zurückgenommen – auch die NS-Leute tragen zivile Mäntel. Die vielen Zivilisten, die sich mit Hut und Schirm anschließen, verstärken das ungewöhnliche Bild an diesem Tag, der seit 1934 der Nationale Feiertag des deutschen Volkes ist. Nichts mehr erinnert an die Arbeiterschaft, deren Kampftag der 1. Mai seit dem 19. Jahrhundert war. | ||
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+ | Bereits 1933 war der 1. Mai von Adolf Hitler zum Tag von Großveranstaltungen bestimmt worden, die dazu dienten, den Tag der Arbeiterklasse national umzudeuten. Die zentrale Kundgebung auf dem Tempelhofer Feld in Berlin wurde zum propagandistischen Massenereignis. Am 2. Mai folgte die Besetzung von Gewerkschaftshäusern, führende Funktionäre wurden in Schutzhaft genommen. Die unabhängigen Gewerkschaften konnten ohne Widerstand zerschlagen werden. Und ein Jahr später gab es vom Führer zum 1. Mai das Geschenk eines arbeitsfreien Feiertags bei Lohnfortzahlung. Der Tag war zum Tag der Volksgemeinschaft geworden, der keine Beziehung zur Arbeit mehr hatte, wie sie die Gewerkschaft erfochten hatten: eine Art Frühlingsfest mit Elementen der Volksfest-Tradition. | ||
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+ | Auf dem Hof in Lahr tritt die Maifeier mit dem Aufmarsch zunächst als die Versammlung hervor, die sie für die NSDAP-Mitglieder sein sollte. Vor einer Wand des Hofes ist die SS in ihren schwarzen Uniformen angetreten. Die Filmkamera scheint nahezu der einzige Beobachter zu sein. Die Zivilisten mit Schirm tauchen in der nächsten Einstellung als endlos lange Reihe von Zuschauern auf: Die SA ist auf einem Sportplatz angetreten, die Fahne mit dem Reichsadler in der Mitte zwischen den Gruppen. Eine riesige leere Rasenfläche klafft zwischen den Zuschauern und dem Aufgebot der Partei. | ||
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+ | Die Kamera des Filmemachers – es scheint sich um einen Dokumentarfilm mit professionellem Anspruch zu handeln – filmt eine triste Szenerie, die surreale Züge annimmt. Zwei Mal wird über einen Leerraum geschwenkt, in dem der Aufmarsch der Parteigruppen seine suggestive Wirkung nicht entfaltet – sie erscheinen verloren in einem Grau in Grau, in dem sich die Banalität der Machtinszenierung hervorkehrt. So wie auch bei der Frontalaufnahme der SA-Abteilung, neben der eine weitere Gruppe mit Hakenkreuzfahnen in den Blick kommt. | ||
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+ | Der Festwagen der Stadt Lahr steht im Schneeregen, nur eine dunkle Gestalt in Uniform ist daneben auszumachen. Der Festtag gibt auch im Stadtinneren nur ein tristes Alltagsbild her, und der Filmemacher hilft sich damit, den Wagen mit den Häusermodellen von verschiedenen Seiten abzufilmen. Dann marschieren die SA-Gruppen doch in Reih und Glied auf die Kamera zu – die einzigen sichtbaren Zuschauer in den Fenstern erheben den Arm zum Hitlergruß. Die Marschierenden werden von offenen Militärwagen und Motorrädern flankiert, doch die Parade will sich nicht zu einem suggestiven Bild formen. Es fehlen die Zuschauer, die Menge, damit der Aufmarsch wirken kann. Die Veranstaltung will nicht in Gang kommen. Auch dann nicht, als der Aufmarsch nun mit den Schauwagen zum richtiggehenden Festzug wird. Ob es der Wagen der Weber, des Elektrogewerbes oder die ‚Gefolgschaft Gaswerk‘ ist, zwischen die sich immer wieder Nazi-Gruppen und Männer in Zivil schieben – es bleibt das „Material“ eines Festzuges, festgehalten von einer Kamera, die – wie schon zuvor auf dem Sportplatz – auf den Herrschaftsraum hindeutet, zu dem die Szene des Feiertages geworden ist. | ||
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+ | Plötzlich ist er wieder da, der Wagen der Stadtverwaltung, in Farbe und bei schönem Wetter. Der Film visualisiert gleich das Spruchband, das daran hängt – die Aufforderung, das Haus mit Blumen zu schmücken – und blickt auf blumenverzierte Balkonbalustraden. Die Bilder springen zurück in Schwarz/Weiß, zeigen den Festzug, der am 2. Mai wiederholt wurde. Nun stehen sie da, die Zuschauer, im Vordergrund vor den vorbeifahrenden Wägen, im Hintergrund auf dem Gehweg. Mehr ist zu sehen als zuvor, so der Motivwagen mit dem riesigen Kalenderblatt, und auch die Hitlerjugend zieht auf die Kamera zu. Das Ereignis findet statt. Erst mit Publikum wird es zum Ereignis – doch im Film erscheint es vor der Folie des Vortages: vor der Leere der Regenbilder, die die Wiederholung des Festzuges als die politische Inszenierung sichtbar werden lassen, die sie ist. | ||
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+ | Reiner Bader | ||
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Version du 3 février 2020 à 17:33
Avertissement[1]
Événements filmés ou en lien
Résumé
Contexte et analyse
Schneeregen fällt an diesem 1. Mai 1936 in Lahr. Auf dem Hof, auf dem die Veranstaltung stattfindet, glänzen die Pfützen, und der Aufmarsch, der in Dreierreihen direkt an der Kamera vorbeizieht, wirkt eigentümlich zurückgenommen – auch die NS-Leute tragen zivile Mäntel. Die vielen Zivilisten, die sich mit Hut und Schirm anschließen, verstärken das ungewöhnliche Bild an diesem Tag, der seit 1934 der Nationale Feiertag des deutschen Volkes ist. Nichts mehr erinnert an die Arbeiterschaft, deren Kampftag der 1. Mai seit dem 19. Jahrhundert war.
Bereits 1933 war der 1. Mai von Adolf Hitler zum Tag von Großveranstaltungen bestimmt worden, die dazu dienten, den Tag der Arbeiterklasse national umzudeuten. Die zentrale Kundgebung auf dem Tempelhofer Feld in Berlin wurde zum propagandistischen Massenereignis. Am 2. Mai folgte die Besetzung von Gewerkschaftshäusern, führende Funktionäre wurden in Schutzhaft genommen. Die unabhängigen Gewerkschaften konnten ohne Widerstand zerschlagen werden. Und ein Jahr später gab es vom Führer zum 1. Mai das Geschenk eines arbeitsfreien Feiertags bei Lohnfortzahlung. Der Tag war zum Tag der Volksgemeinschaft geworden, der keine Beziehung zur Arbeit mehr hatte, wie sie die Gewerkschaft erfochten hatten: eine Art Frühlingsfest mit Elementen der Volksfest-Tradition.
Auf dem Hof in Lahr tritt die Maifeier mit dem Aufmarsch zunächst als die Versammlung hervor, die sie für die NSDAP-Mitglieder sein sollte. Vor einer Wand des Hofes ist die SS in ihren schwarzen Uniformen angetreten. Die Filmkamera scheint nahezu der einzige Beobachter zu sein. Die Zivilisten mit Schirm tauchen in der nächsten Einstellung als endlos lange Reihe von Zuschauern auf: Die SA ist auf einem Sportplatz angetreten, die Fahne mit dem Reichsadler in der Mitte zwischen den Gruppen. Eine riesige leere Rasenfläche klafft zwischen den Zuschauern und dem Aufgebot der Partei.
Die Kamera des Filmemachers – es scheint sich um einen Dokumentarfilm mit professionellem Anspruch zu handeln – filmt eine triste Szenerie, die surreale Züge annimmt. Zwei Mal wird über einen Leerraum geschwenkt, in dem der Aufmarsch der Parteigruppen seine suggestive Wirkung nicht entfaltet – sie erscheinen verloren in einem Grau in Grau, in dem sich die Banalität der Machtinszenierung hervorkehrt. So wie auch bei der Frontalaufnahme der SA-Abteilung, neben der eine weitere Gruppe mit Hakenkreuzfahnen in den Blick kommt.
Der Festwagen der Stadt Lahr steht im Schneeregen, nur eine dunkle Gestalt in Uniform ist daneben auszumachen. Der Festtag gibt auch im Stadtinneren nur ein tristes Alltagsbild her, und der Filmemacher hilft sich damit, den Wagen mit den Häusermodellen von verschiedenen Seiten abzufilmen. Dann marschieren die SA-Gruppen doch in Reih und Glied auf die Kamera zu – die einzigen sichtbaren Zuschauer in den Fenstern erheben den Arm zum Hitlergruß. Die Marschierenden werden von offenen Militärwagen und Motorrädern flankiert, doch die Parade will sich nicht zu einem suggestiven Bild formen. Es fehlen die Zuschauer, die Menge, damit der Aufmarsch wirken kann. Die Veranstaltung will nicht in Gang kommen. Auch dann nicht, als der Aufmarsch nun mit den Schauwagen zum richtiggehenden Festzug wird. Ob es der Wagen der Weber, des Elektrogewerbes oder die ‚Gefolgschaft Gaswerk‘ ist, zwischen die sich immer wieder Nazi-Gruppen und Männer in Zivil schieben – es bleibt das „Material“ eines Festzuges, festgehalten von einer Kamera, die – wie schon zuvor auf dem Sportplatz – auf den Herrschaftsraum hindeutet, zu dem die Szene des Feiertages geworden ist.
Plötzlich ist er wieder da, der Wagen der Stadtverwaltung, in Farbe und bei schönem Wetter. Der Film visualisiert gleich das Spruchband, das daran hängt – die Aufforderung, das Haus mit Blumen zu schmücken – und blickt auf blumenverzierte Balkonbalustraden. Die Bilder springen zurück in Schwarz/Weiß, zeigen den Festzug, der am 2. Mai wiederholt wurde. Nun stehen sie da, die Zuschauer, im Vordergrund vor den vorbeifahrenden Wägen, im Hintergrund auf dem Gehweg. Mehr ist zu sehen als zuvor, so der Motivwagen mit dem riesigen Kalenderblatt, und auch die Hitlerjugend zieht auf die Kamera zu. Das Ereignis findet statt. Erst mit Publikum wird es zum Ereignis – doch im Film erscheint es vor der Folie des Vortages: vor der Leere der Regenbilder, die die Wiederholung des Festzuges als die politische Inszenierung sichtbar werden lassen, die sie ist.
Reiner BaderLieux ou monuments
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