Nach Hause (LFS 06056 5)


Avertissement[1]

Résumé


Witzig inszenierter Familienfilm mit Hochzeit, zum Teil viragiert.

Description


Halbnahe: zwei Frauen lachen in die Kamera. Totale: ein Wald, eine Gruppe von Leuten in Mänteln schwingen untergehakt hin und her, laufen im Gänsemarsch. / Totale: Ein Wald im Winter: zwei Frauen laufen auf die Kamer zu und kommen zu einem Aussichtplatz. Schwenk über ein Tal. Weitere Einstellungen vom Wald.

Métadonnées

N° support :  LFS 06056 5
Date :  Entre 1927 et 1930
Coloration :  NB et couleur
Son :  Muet
Durée :  00:02:00
Format original :  35 mm
Genre :  Film amateur
Thématiques :  Environnement, Activités de plein-air
Institution d'origine :  Haus des Dokumentarfilms

Contexte et analyse


„Auf dem Weg nach Hause.“ Die erste Schrifttafel des Films ist wie die übrigen Tafeln in diesem Kurzfilm grün viragiert und unten rechts hat sich der Filmemacher mit seinen Initialen Dr. E.M. verewigt. Die kleine Gruppe in Festkleidung geht durch die als ‚Hauptstraße‘ bezeichneten Waldweg, der sich – von oben aufgenommen – diagonal durch einen kahlen Winterwald zieht. Schrifttafeln und bewusste Bildkomposition – der kurze Familienfilm vom Ende der 1920er Jahre nimmt Bezug auf die Tradition des Stummfilms. Und er nutzt das Medium Film, um das bürgerliche Standesbewusstsein in Szene zu setzen. Denn zu dieser Zeit konnten sich nur wohlhabendere Familien das teure Hobby Film leisten.

„Zu Hause angekommen! Als erster Walter mit seiner Mutter.“ Der nächste Zwischentitel geht einem Bild voran, das die Personen wieder von oben am Hauseingang aufnimmt. Die Einstellung ist genau arrangiert, um eine Handlung zu zeigen, die für die Kamera dargestellt wird. Walter und seine Mutter steigen lächelnd die Treppe mit dem massigen Holzgeländer hoch. Der Blick in die Kamera ist – im Unterschied zum Spielfilm erlaubt und deutet auf ein Selbstbewusstsein, das sich zu sehen gibt. Szenen einer Hochzeit stehen als kleine Miniaturen nebeneinander – und führen auf diese Weise auch die neue Souveränität der bürgerlichen Klasse in den 1920er Jahren vor.

Nach dem Zusammenbruch der Monarchie beanspruchen in einer Weimarer Republik, die dabei ist, in die industrielle Moderne einzutreten, nun die bürgerlichen Schichten die Vorrangstellung. Die freie Zeit war für das Bürgertum seit dem 18. Jahrhundert ein Freiraum, in dem sich im Ideal der ‚Bildung‘ ein universaler Anspruch des bürgerlichen Lebensstils behaupten ließ. Sich selbst zu filmen gerade auch bei einem Fest, entwickelte sich zu einer neuen Möglichkeit, das Besondere zu verkörpern, das dieser Lebensstil – neben der Disziplin bei der Arbeit – forderte.

Die Identität als Familie wie als Klasse ließ sich spiegeln in einem filmischen Medium, das nicht nur die Möglichkeit der Dokumentation in bewegten Bildern bot – die Tradition des Stummfilms stellte zudem eine ein Repertoire der Inszenierung zur Verfügung, das der spielerischen Selbstdarstellung entgegen kam. Der Stummfilm gab den einzelnen Szenen – wie im Slapstick – noch ein eigenes Gewicht, das sie zu einer kleinen ‚Attraktion‘ machen konnte. So kommt auch in dem Amateurfilm über die Hochzeitsfeier den Szenen eine Eigenständigkeit zu, die sie zu einem Spielraum des für das bürgerliche Selbstbewusstsein werden lassen. Das ‚alte‘ Medium der Fotografie verwandelt sich, wenn die Festgesellschaft im Garten posiert. Die unaufhörliche Bewegung präsentiert die Herstellung des Gruppenbildes in einer Art Slapstick – zwei große Männer an den Seiten, die Kinder im Matrosenanzug in der Mitte. „Fidele Erholung von der schweren Arbeit des Festessens“: Der Zwischentitel löst den Gegensatz von Arbeit und Freizeit ironisch auf.

Die filmische Bühne erweist sich als Möglichkeitsraum, in dem man anders auftreten kann – in einer expressiven Weise, die mit zur bürgerlichen Bildungstradition gehört. So schaut Herr Paulus durch das Fernrohr der Kindheit, das ein Kinder-Klostuhl ist. Ein Herr mit Zylinder lächelt tief sitzend in die Kamera – die Schrifttafel verweist auf den vielen Wein, der die „Wacht am Rhein“ herbeizitiert, das Lied, das im Kaiserreich eine inoffizielle Nationalhymne war: „Lieb Vaterland magst ruhig sein.“ Und Josef erzählt – so die nächste Schrifttafel – in seiner Weise von den Englandreisen: stumm dasitzend mit keckem Blick und Matrosenmütze. Auch die Grenze zum Albernen ist offen.

Die Filmkamera schafft einen Spielraum zwischen Spontaneität und Selbstkontrolle, in dem Facetten des Bürgerlichen hervortreten. Das Brautpaar lächelt in der Halbnahen in die Kamera, gibt im Film etwas zu sehen, was im Foto verschwinden würde – und deutet in dieser kurzen Dauer etwas davon an, dass es sich als Paar in seinem neuen bürgerlichen Stand auch erst hervorbringt. Und die folgende Szene – der frisch gebackene Ehemann trinkt demonstrativ einen Schnaps mit zwei Herren – hebt sich als inszenierter Akt ab, mit dem sich nicht nur das Hochzeitsritual, sondern auch eine gesellschaftliche Klasse konstituiert.

Der Bilderbogen der Hochzeitsszenen setzt sich weiter zusammen, wenn die Hochzeitsgesellschaft standesgemäß einer Limousine entsteigt. Eine einzelne Dame, die dem Hochzeitspaar spontan folgen möchte, wird zur Einhaltung der Konvention aufgefordert – dem Brautpaar folgen zunächst die Paare. Der kleine Film erweist sich als medialer Schauraum für beides, für die bürgerliche Orientierung an Ordnung, die das Standesbewusstsein mit bestimmt, wie für die Grenzüberschreitung in der expressiven Selbstdarstellung. Er zeigt die Widersprüche des bürgerlichen Standes, indem er sie in bewegten Bildern zusammenhält.

Das Expressive kann im neuen Medium auch in die Alltagssituation eingehen, wenn sich die fünfköpfige Familie am Schluss im Garten des Hauses darstellt. Beim Arrangieren des Gruppenbilds geben sie sich spielerisch souverän – einer der Jungen führt mit Holzgewehr Militärisches vor. Und das bloße Sich-Zeigen in den Fenstern des eigenen Hauses wird unscheinbar zum Bild einer neuen Bürgerlichkeit und macht die Inszeniertheit der Szenen deutlich.

Reiner Bader

Lieux ou monuments


Freiburg i.B.



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