Bruchsal Abtransport JudenTITEL (LFS 00462 1)


Avertissement[1]

Résumé


Deportation der jüdischen Bevölkerung aus Bruchsal am 18.10.1940

Métadonnées

N° support :  LFS 00462 1
Coloration :  Noir et blanc
Son :  Muet
Timecode :  00:01:26
Durée :  00:00:00
Format original :  16 mm
Genre :  Documentaire
Thématiques :  Seconde Guerre mondiale : Occupation et annexion
Institution d'origine :  Haus des Dokumentarfilms

Contexte et analyse


Am 22. Oktober 1940 wurde der Großteil der jüdischen Bevölkerung Badens ins Lager Gurs in Südfrankreich deportiert. Vorausgegangen waren die zunehmende Ausgrenzung und Diskriminierung und quasi Enteignung von Geschäften und Firmen zu Preisen deutlich unter dem Marktwert, die von den Nationalsozialisten als ‚Arisierung‘ bezeichnet wurde. Der Lahrer Ernst Feist, Aufsichtsrat der Tabakfabrik Roth-Händle AG beschrieb in einem Brief 1945, wie eine solche Enteignung von statten ging: „Am 7. April 1938 mussten die jüdischen Aktionäre der Badischen Tabakmanufaktur Roth-Händle AG aufgrund von der damaligen Regierung getroffenen Maßnahmen (…) 80 % ihres Aktienbesitzes zu pari an Herrn Franz Neusch (Zigarrenfabriken Joh. Neusch) in Herbolzheim verkaufen“ (Stude 1997, S. 162). In Offenburg gab es im Oktober 1938 noch 16 jüdische Betriebe, im Kreis noch 10, die von der Deutschen Arbeitsfront enteignet werden sollten. Die Ausgrenzung begann bereits im Frühjahr 1933 durch den offenen Boykott jüdischer Läden, wie dies in Lahr auch filmisch dokumentiert wurde. Im März 1933 beschloss der Gemeinderat der Stadt Offenburg, jüdische Firmen, Warenhäuser und Filialbetriebe nicht mehr als Lieferanten zu berücksichtigen. Ähnliches galt für jüdische Ärzte oder Rechtsanwälte. Es erfolgte die gezielte Verdrängung jüdischer Beamter aus dem Staatsdienst, und selbst in Vereinen waren sie zunehmend unerwünscht und wurden ausgeschlossen. Jüdische Jugendliche spürten in den Schulen die Missachtung ihrer Mitschüler mit antisemitischen Hänseleien. Die 1935 gegründete Reichsvereinigung der Juden in Deutschland organisierte Schulen und Ausbildungsstätten für die jüdischen Kinder. „Wie schnell sich die Ausgrenzung und Isolation in den Dörfern und Kleinstädten vollzog, war jeweils abhängig von der Stärke des Drucks durch lokale antisemitische Propaganda, militante Aktionen und soziale Kontrolle. Auch gab es zwischen den Dörfern große Unterschiede, wie aggressiv gegen die jüdische Bevölkerung vorgegangen wurde“ (Landeszentrale, S. 9). Im September 1935 wurde auf dem Nürnberger Parteitag das ‚Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre‘ verkündet, dass Eheschließungen und Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden als ‚Rassenschande‘ verbot. Die Offenburgerin Clementine Neu berichtete: „Der Hass gegen die Juden ist täglich geschärfter und die notwendigen Lebensbedingungen kaum noch gegeben. Beamte und alle, die vom Staat unterhalten werden, sollen und dürfen nichts mehr beim Juden kaufen“ (Ruch 1998, S. 121). Verstärkt tauchten Plakate und Transparente auf ‚Juden unerwünscht‘, ‚Juden werden hier nicht bedient‘, ‚Nur für Arier‘. Auch auf Umzügen in der Fasnet wie im März 1938 in Nußbach oder 1939 in Lahr (Fasnachstumzug, LFS 246) wurde die jüdische Bevölkerung verhöhnt. Jeder machte sich verdächtig, der sich privat oder geschäftlich mit Juden traf, und es gehörte Courage dazu, sich dem zu widersetzen. Beim Pogrom am 10/11. November 1938 wurden auch in Baden die Innenräume zahlreicher Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen zerstört. Sämtliche bei dem Pogrom entstandenen Kosten in Höhe von 1 Mio. Reichsmark musste die jüdische Bevölkerung erstatten. Gerade jüngere Juden waren schon vorher emigriert, oft nach Palästina, das noch von den Britten kontrolliert wurde; für die Einreise musste man landwirtschaftliche Kenntnisse nachweisen. Doch ein solcher Entschluss war nicht einfach, denn die Verbundenheit mit Deutschland – einige hatten im Ersten Weltkrieg für ihr Vaterland gekämpft – und die Sorge um ihre berufliche Zukunft im Ausland hielten sie davon ab. Doch nach dem Pogrom verließ, wer es sich finanziell leisten konnte und ein Einreisevisum bekam, seine Heimat. Die Deportation der übrigen Juden am jüdischen Laubhüttenfest am 22. Oktober 1940 war der nächste Schritt der Nationalsozialisten, diese Bevölkerungsgruppe aus der deutschen Gesellschaft auszuschließen. Es gibt nur wenige fotografische Dokumente dieser ‚Aktion 6504‘ wie z. B. aus Kippenheim, Lörrach und Gailingen. Aber die Filmaufnahmen aus Bruchsal sind ein herausragendes zeithistorisches Dokument und einmalig für diese Region. Das Fragment von einer guten Minute Länge beginnt mit einer Schrifttafel: „Bruchsal judenfrei! Die letzten Juden verlassen Bruchsal. 18.10.1940“. Es folgen fünf Einstellungen in einer Halbtotalen mit Stativ gedreht. Eine Kolonne alter Männer und Frauen in dunklen Mänteln sowie einige Jugendliche laufen mit Koffern und Taschen in der Hand über die gepflasterte Straße. Überwacht werden sie von deutschen Soldaten in Uniform und von Polizisten. Sie überqueren Gleise. Ein Mann zieht einen Handkarren mit Gepäck. Die Deportation fand vor den Augen der Bevölkerung statt, aber die Mehrheit schwieg. Der Bahnbeamte Josef Doll erinnert sich an die Ereignisse am Bahnhof Bruchsal: „Man hat sie die Treppe heruntergestoßen, angerempelt und angespuckt. Es waren Bruchsaler SA-Leute in Uniform. Ich erinnere mich besonders daran, wie Dr. Schmitt angespuckt wurde. Dieser jüdische Arzt war in Bruchsal so angesehen und hatte viele Arme kostenlos behandelt“ (Stude 2005, S. 5). Im Oktober 1940 wurden insgesamt 5.600 Juden aus 137 Gemeinden Badens vertrieben, allein 2.000 aus Mannheim und 905 aus Karlsruhe. Ihnen wurde erlaubt, 100 Reichsmark und 50 kg Gepäck mitzunehmen. Ausgenommen von der Deportation waren 820 Juden in Baden, die in ‚Mischehen‘ lebten, ausländische ‚Nichtarier‘ oder transportunfähige Kranke und ihre Pfleger. Sie wurden 1941 direkt in Vernichtungslager deportiert. Bei Neuenburg überquerten die Züge den Rhein. Ziel war das „Camp de Gurs“ im westlichen Südfrankreich im Vorland der Pyrenäen, das bis November 1942 von der französischen Vichy-Regierung kontrolliert wurde. Auch diese erließ im Oktober 1940 antijüdische Gesetze, die die Internierung in Gurs ermöglichten. Die Bahnfahrt dorthin dauerte insgesamt drei Tage und vier Nächte. Das Lager war kein Vernichtungslager. Einigen gelang die Flucht oder auch die legale Ausreise z.B. in die USA. Die, denen dies nicht gelang, wurden ab 1942 in die Vernichtungslager in Osteuropa transportiert, wo die meisten starben. Von den 8.000 Juden, die 1925 in Baden gelebt hatten, waren 1947 gerade einmal 40 in ihre Heimat zurückgekehrt.

Kay Hoffmann

Bibliographie


Landeszentrale für politische Bildung (Hg.): 20. Tishri 5707 – Sukkoth. 22. Oktober 1940 – Laubhüttenfest. „Ich weiß nicht, ob wir nochmals schreiben können.“ Die Deportation der badischen und Saarpfälzer Juden in das Internierungslager Gurs in den Pyrenäen. Stuttgart 2011. Ruch, Martin: Aus der Heimat verjagt. Zur Geschichte der Familie Neu. Konstanz 1998. Stude, Jürgen: Der Betsaal der jüdischen Gemeinde Lahr. In: Historischer Verein Mittelbaden, Mitgliedergruppe Ettenheim, 1997, S. 162-163. Stude, Jürgen: „Die letzten Juden verlassen Bruchsal.“ Filmdokumente zur Judenverfolgung in Baden und Württemberg. In: Momente, 2/2005, S. 2-7.

Stude, Jürgen; Rottenecker, Bernd; Petri, Dieter: Jüdisches Leben in der Ortenau. (Herausgegeben vom Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim e.V.), Bühl 2018.



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