Karlsruher Sportfest : Différence entre versions

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|Contexte_et_analyse_de=Ein gutes Beispiel für die Vereinnahmung und Neuausrichtung des Sports durch die Nationalsozialisten in Richtung Wehrsport ist der Film „Karlsruher Sportfest“ über die Abnahme des SA-Sportabzeichens in Karlsruhe 1935. Dies Sportabzeichen wurde an Männer verliehen, die sich entsprechend dieser NS-Ideologie sportlich betätigten, um die ‚Volksgesundheit‘ zu fördern. Die Ehrung konnte sogar aberkannt werden, wenn der Träger sich nicht entsprechend den NS-Idealen verhielt. Bis Februar 1935 war für den Erwerb des Sportabzeichens die Mitgliedschaft in der SA notwendig, danach bestimmte Hitler, dass es auch von nicht SA-Mitgliedern erworben werden konnte. Bis Anfang 1937 wurde es über eine Million Mal in Bronze, Silber und Gold verliehen. Ziel war das paramilitärische Training zur Verbesserung der ‚Wehrkraft‘; entsprechend wurde es im Januar 1939 in SA-Wehrabzeichen umbenannt. Das Tragen dieser NS-Abzeichen wurde 1957 in der Bundesrepublik Deutschland verboten.
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Doch schon 1935 gehörten spezielle Übungen wie ein schwieriger Hindernislauf mit Krabbeln unter einem Drahtverhau, das Kleinkaliberschießen, der Keulen-Weit- und Zielwurf – die Keulen hatten die Form von Handgranaten –, ein 25 km-Marsch mit voller Ausrüstung und Geländesport zu der Prüfung. In dem Film sind deshalb Männer in SA-Uniformen omnipräsent und es ist auch ein Marsch durch Karlsruhe in SA-Uniformen und mit einem SA-Spielmannszug zu sehen. Ein Denkmal mit dem vergrößerten SA-Sportabzeichen hat den Slogan „Wehrhaft und stark durch das SA. Sportabzeichen“. Der Film zeigt die verschiedenen Disziplinen und endet mit der für das NS-Regime üblichen Inszenierung von Massen an Fechtern, Boxern, Turnern, einer Hundestaffel und einem Aufmarsch vor großem Publikum. Die Nationalsozialisten sahen in solchen Auftritten die Möglichkeit, die ‚Volksgemeinschaft‘ wirksam in Szene zu setzen. Ein SA-Führer hält eine Rede, die in dem stummen Film nicht zu hören ist. 1935 fand in Karlsruhe auch das ‚1. Gaufest des Reichsbundes für Leibeserziehung‘ statt, das noch ziviler ausgerichtet war und an dem sogar Frauen teilnehmen konnten. Leider sind davon keine Filmaufnahmen überliefert.
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Den Nationalsozialisten waren Sport und die körperliche Ertüchtigung sehr wichtig, um in der NS-Terminologie den ‚Volkskörper‘ und damit die Nation und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken; hinzu kam bei ihnen die körperliche Ertüchtigung als militärischen Training. So wurde als Ziel sportlicher Betätigung bei der SA formuliert, „die durch Sport und Spiel gestärkten Kräfte in den Dienst von Rasse und Volk zu setzen. Auch die Leibesübungen haben die Aufgabe, zur Erziehung eines fanatischen Nationalsozialismus zu veranlassen, und der Sport und die Turnerei sollen nur als Training zu einem Kampf erscheinen.“ (Joch 1982, S. 725)
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Dazu war eine Kontrolle der Sportvereine notwendig. Der neue ‚Reichsportkommisar‘ Hans von Tschammer und Osten konnte schon Ende Mai 1933 die Verbands- und Organisationsstrukturen umgestalten und einen ‚Reichsführerring‘ konstituieren, dem die Fachverbände angehörten und unterstellt waren. Nur sie hatten das Recht, Meisterschaften und sonstige Veranstaltungen zu organisieren. Zerschlagen wurden sowohl der ‚Arbeiter-Turn- und Sportbund‘ als auch konfessionelle Sportorganisationen. Diese Neuausrichtung der Sportverbände an den neuen politischen Verhältnissen wurde umgehend umgesetzt. In den Vereinen wurde das Führerprinzip eingeführt und man verzichtete die demokratischen Traditionen der Vereine.
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Jüdischen Sportlern wurde aus rassistischen Gründen die Mitgliedschaft in Sportvereinen verboten. Dort waren sie sehr aktiv gewesen, denn es war ein Bereich, in dem antisemitisch geprägte Vorbehalte durch den persönlichen Kontakt widerlegt und die jüdischen Mitbürger in die deutsche Gesellschaft integriert werden konnten. Dieser Prozess des Ausschlusses aus ideologischen Gründen ist in den Amateurfilmen nicht zu sehen. Es ist trotzdem ein wichtiges Kapitel deutscher Sportgeschichte. 1936 waren immerhin 21.000 jüdische Sportlerinnen und Sportler in 236 jüdischen Sportvereinen wie ‚Makkabi‘ oder ‚Schild‘ organisiert. Prominente Beispiele für den Umgang mit jüdischen Sportlern ist die Hochspringerin Gretel Bergmann, die trotz großer Gewinnchancen bei den Olympischen Spielen 1936 nicht starten dürfte (Löwenbrück 2003; Pfeifer 2011). Sie war vom NS-Regime aus machtpolitischen Gründen ausgenutzt worden, um einen Boykott anderer Länder zu vermeiden. Ein weiterer prominenter Sportler, der von den Nationalsozialisten an der Weiterführung seiner sportlichen Karriere gehindert wurde, ist der Rennfahrer Adolf Rosenberg, der in den 1920er Jahren zu den wichtigsten deutschen Motorsportlern gehörte und ebenfalls nicht mehr starten dürfte.
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Kay Hoffmann
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|Bibliographie=HAUS DER GESCHICHTE BADEN-WÜRTTEMBERG (Hg.), „Vergessen die vielen Medaillen, vergessen die Kameradschaft“. Juden und Sport im deutschen Südwesten. Universitätsverlag Winter: Heidelberg 2010;
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JOCH, Winfried. 1982. Sport und Leibesübung im Dritten Reich, in: UEBERHORST, Horst (Hg.), Geschichte der Leibesübungen Bd. 3/2. Leibesübungen und Sport in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, Bartels und Wernitz Verlag: Berlin, München, Frankfurt/M. 1982, S. 701-742; LÖWENBRÜCK, A-R. 2003. Spielball der Nationalsozialisten. Die Erinnerungen der jüdischen Hochspringerin Gretel Bergmann, in: Momente 3-4/2003, S. 37-42; PFEIFER, Lorenz, Gretel Bergmann – gefeiert, verfolgt und dann vergessen!, in: FURTWÄNGLER, Martin, PFANZ-SPONAGEL, Christiane, EHLERS, Martin (Hg.), Nicht nur Sieg und Niederlage, Jan Thorbecke Verlag: Ostfildern 2011, S. 177-192; SA Sportabzeichen: https://de.wikipedia.org/wiki/SA-Sportabzeichen (konsultiert 27.11.2020); UEBERRHORST, Horst, Frisch, frei, stark und treu. Die Arbeitersportbewegung in Deutschland 1893 – 1933. Droste Verlag: Düsseldorf 1973; WALTER, Martin, Adolf Rosenberger – Zur Geschichte eines deutschen Juden, in: FURTWÄNGLER, Martin, PFANZ-SPONAGEL, Christiane, EHLERS, Martin (Hg.), Nicht nur Sieg und Niederlage, Jan Thorbecke Verlag: Ostfildern 2011, S. 193-212.
 
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Version du 29 janvier 2021 à 19:02


Avertissement[1]

Métadonnées

N° support :  LFS06063
Date :  1935
Coloration :  Noir et blanc
Son :  Muet
Durée :  00:00:00
Genre :  Film amateur
Institution d'origine :  Haus des Dokumentarfilms

Contexte et analyse


Ein gutes Beispiel für die Vereinnahmung und Neuausrichtung des Sports durch die Nationalsozialisten in Richtung Wehrsport ist der Film „Karlsruher Sportfest“ über die Abnahme des SA-Sportabzeichens in Karlsruhe 1935. Dies Sportabzeichen wurde an Männer verliehen, die sich entsprechend dieser NS-Ideologie sportlich betätigten, um die ‚Volksgesundheit‘ zu fördern. Die Ehrung konnte sogar aberkannt werden, wenn der Träger sich nicht entsprechend den NS-Idealen verhielt. Bis Februar 1935 war für den Erwerb des Sportabzeichens die Mitgliedschaft in der SA notwendig, danach bestimmte Hitler, dass es auch von nicht SA-Mitgliedern erworben werden konnte. Bis Anfang 1937 wurde es über eine Million Mal in Bronze, Silber und Gold verliehen. Ziel war das paramilitärische Training zur Verbesserung der ‚Wehrkraft‘; entsprechend wurde es im Januar 1939 in SA-Wehrabzeichen umbenannt. Das Tragen dieser NS-Abzeichen wurde 1957 in der Bundesrepublik Deutschland verboten.

Doch schon 1935 gehörten spezielle Übungen wie ein schwieriger Hindernislauf mit Krabbeln unter einem Drahtverhau, das Kleinkaliberschießen, der Keulen-Weit- und Zielwurf – die Keulen hatten die Form von Handgranaten –, ein 25 km-Marsch mit voller Ausrüstung und Geländesport zu der Prüfung. In dem Film sind deshalb Männer in SA-Uniformen omnipräsent und es ist auch ein Marsch durch Karlsruhe in SA-Uniformen und mit einem SA-Spielmannszug zu sehen. Ein Denkmal mit dem vergrößerten SA-Sportabzeichen hat den Slogan „Wehrhaft und stark durch das SA. Sportabzeichen“. Der Film zeigt die verschiedenen Disziplinen und endet mit der für das NS-Regime üblichen Inszenierung von Massen an Fechtern, Boxern, Turnern, einer Hundestaffel und einem Aufmarsch vor großem Publikum. Die Nationalsozialisten sahen in solchen Auftritten die Möglichkeit, die ‚Volksgemeinschaft‘ wirksam in Szene zu setzen. Ein SA-Führer hält eine Rede, die in dem stummen Film nicht zu hören ist. 1935 fand in Karlsruhe auch das ‚1. Gaufest des Reichsbundes für Leibeserziehung‘ statt, das noch ziviler ausgerichtet war und an dem sogar Frauen teilnehmen konnten. Leider sind davon keine Filmaufnahmen überliefert.

Den Nationalsozialisten waren Sport und die körperliche Ertüchtigung sehr wichtig, um in der NS-Terminologie den ‚Volkskörper‘ und damit die Nation und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken; hinzu kam bei ihnen die körperliche Ertüchtigung als militärischen Training. So wurde als Ziel sportlicher Betätigung bei der SA formuliert, „die durch Sport und Spiel gestärkten Kräfte in den Dienst von Rasse und Volk zu setzen. Auch die Leibesübungen haben die Aufgabe, zur Erziehung eines fanatischen Nationalsozialismus zu veranlassen, und der Sport und die Turnerei sollen nur als Training zu einem Kampf erscheinen.“ (Joch 1982, S. 725) Dazu war eine Kontrolle der Sportvereine notwendig. Der neue ‚Reichsportkommisar‘ Hans von Tschammer und Osten konnte schon Ende Mai 1933 die Verbands- und Organisationsstrukturen umgestalten und einen ‚Reichsführerring‘ konstituieren, dem die Fachverbände angehörten und unterstellt waren. Nur sie hatten das Recht, Meisterschaften und sonstige Veranstaltungen zu organisieren. Zerschlagen wurden sowohl der ‚Arbeiter-Turn- und Sportbund‘ als auch konfessionelle Sportorganisationen. Diese Neuausrichtung der Sportverbände an den neuen politischen Verhältnissen wurde umgehend umgesetzt. In den Vereinen wurde das Führerprinzip eingeführt und man verzichtete die demokratischen Traditionen der Vereine. Jüdischen Sportlern wurde aus rassistischen Gründen die Mitgliedschaft in Sportvereinen verboten. Dort waren sie sehr aktiv gewesen, denn es war ein Bereich, in dem antisemitisch geprägte Vorbehalte durch den persönlichen Kontakt widerlegt und die jüdischen Mitbürger in die deutsche Gesellschaft integriert werden konnten. Dieser Prozess des Ausschlusses aus ideologischen Gründen ist in den Amateurfilmen nicht zu sehen. Es ist trotzdem ein wichtiges Kapitel deutscher Sportgeschichte. 1936 waren immerhin 21.000 jüdische Sportlerinnen und Sportler in 236 jüdischen Sportvereinen wie ‚Makkabi‘ oder ‚Schild‘ organisiert. Prominente Beispiele für den Umgang mit jüdischen Sportlern ist die Hochspringerin Gretel Bergmann, die trotz großer Gewinnchancen bei den Olympischen Spielen 1936 nicht starten dürfte (Löwenbrück 2003; Pfeifer 2011). Sie war vom NS-Regime aus machtpolitischen Gründen ausgenutzt worden, um einen Boykott anderer Länder zu vermeiden. Ein weiterer prominenter Sportler, der von den Nationalsozialisten an der Weiterführung seiner sportlichen Karriere gehindert wurde, ist der Rennfahrer Adolf Rosenberg, der in den 1920er Jahren zu den wichtigsten deutschen Motorsportlern gehörte und ebenfalls nicht mehr starten dürfte.

Kay Hoffmann

Bibliographie


HAUS DER GESCHICHTE BADEN-WÜRTTEMBERG (Hg.), „Vergessen die vielen Medaillen, vergessen die Kameradschaft“. Juden und Sport im deutschen Südwesten. Universitätsverlag Winter: Heidelberg 2010;

JOCH, Winfried. 1982. Sport und Leibesübung im Dritten Reich, in: UEBERHORST, Horst (Hg.), Geschichte der Leibesübungen Bd. 3/2. Leibesübungen und Sport in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart, Bartels und Wernitz Verlag: Berlin, München, Frankfurt/M. 1982, S. 701-742; LÖWENBRÜCK, A-R. 2003. Spielball der Nationalsozialisten. Die Erinnerungen der jüdischen Hochspringerin Gretel Bergmann, in: Momente 3-4/2003, S. 37-42; PFEIFER, Lorenz, Gretel Bergmann – gefeiert, verfolgt und dann vergessen!, in: FURTWÄNGLER, Martin, PFANZ-SPONAGEL, Christiane, EHLERS, Martin (Hg.), Nicht nur Sieg und Niederlage, Jan Thorbecke Verlag: Ostfildern 2011, S. 177-192; SA Sportabzeichen: https://de.wikipedia.org/wiki/SA-Sportabzeichen (konsultiert 27.11.2020); UEBERRHORST, Horst, Frisch, frei, stark und treu. Die Arbeitersportbewegung in Deutschland 1893 – 1933. Droste Verlag: Düsseldorf 1973; WALTER, Martin, Adolf Rosenberger – Zur Geschichte eines deutschen Juden, in: FURTWÄNGLER, Martin, PFANZ-SPONAGEL, Christiane, EHLERS, Martin (Hg.), Nicht nur Sieg und Niederlage, Jan Thorbecke Verlag: Ostfildern 2011, S. 193-212.



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