TITEL (LFS03509 1) : Différence entre versions

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|Resume_de=Turnfest in Gaggenau 1913 und weitere Aufnahmen
 
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|Resume_en=Sport event in Gaggenau 1913
 
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|Contexte_et_analyse_de=Aus Gaggenau ist einer der ältesten Filme über ein Turnfest überliefert, wobei die Filmaufnahmen aus unterschiedlichen Jahren zwischen 1913 und etwa 1928 stammen. Die Aufnahmen zeigen zunächst das örtliche Apollo-Lichtspieltheater in der Bergmannstraße, das 1912 von Herrn Dinges eröffnet worden war. Die Datierung erfolgte über das Kinoplakat des Films „Moritz mit dem Zopf“ aus dem Jahr 1913. Der französische Komiker Charles Prince arbeitete ab 1908 für Pathè. In Frankreich wurde er mit der Figur ‚Rigadin‘ (deutsch: Moritz) ein Star des frühen Kinos und zwischen 1909 und 1920 wurden über 500 kurze Filme mit dieser Figur veröffentlicht (Schoenmakers 2008, S. 496). Es ist gut möglich, dass die Aufnahmen vom Turnerfest 1913 als Lokalaufnahme im Auftrag des Kinobetreibers entstanden, denn das war in der Frühzeit eine Methode, um das Publikum ins Kino zu locken.  
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|Contexte_et_analyse_de=[[Fichier:Gaggenau Kino 1913.png|vignette|Das Apollo-Kino wurde 1912 eröffnet und zeigt "Moritz mit dem Zopf", einen französichen Komiker (Foto: LFS)]]
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Aus Gaggenau ist einer der ältesten Filme über ein Turnfest überliefert, wobei die Filmaufnahmen aus unterschiedlichen Jahren zwischen 1913 und etwa 1928 stammen. Die Aufnahmen zeigen zunächst das örtliche Apollo-Lichtspieltheater in der Bergmannstraße, das 1912 von Herrn Dinges eröffnet worden war. Die Datierung erfolgte über das Kinoplakat des Films „Moritz mit dem Zopf“ aus dem Jahr 1913. Der französische Komiker Charles Prince arbeitete ab 1908 für Pathè. In Frankreich wurde er mit der Figur ‚Rigadin‘ (deutsch: Moritz) ein Star des frühen Kinos und zwischen 1909 und 1920 wurden über 500 kurze Filme mit dieser Figur veröffentlicht (Schoenmakers 2008, S. 496). Es ist gut möglich, dass die Aufnahmen vom Turnerfest 1913 als Lokalaufnahme im Auftrag des Kinobetreibers entstanden, denn das war in der Frühzeit eine Methode, um das Publikum ins Kino zu locken.  
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[[Fichier:Turnfest Gaggenau 1913 k.png|vignette|Die Turner wurden als Ornament der Masse inszeniert (Foto: LFS)]]
  
 
Das nächste Sujet zeigt die Merkurbrücke über die Murg, die 1923 eingeweiht wurde. An der Brücke hängt ein Transparent ‚Gebt Arbeit‘. Durch die Hyperinflation und Wirtschaftskrise 1923 ist diese politische Forderung zu erklären. Denn eigentlich entwickelte sich Gaggenau, ein Ort mit 3.111 Einwohnern (1910), zu einem der industriellen Zentren im Murgtal. Über 3.000 Personen arbeiteten im Eisenwerk, im Autowerk und weiteren Firmen (Turnerbund 2007, S. 32) und Gaggenau hatte eine große Gruppe an Arbeitern. Viele von ihnen waren Mitglied im Turnerbund, der mit viel Eigenarbeit seiner Mitglieder 1926 die Jahnturnhalle baute, die im nächsten Bild zu sehen ist. Sie wurde bei einem Luftangriff 1944 inklusive des Vereinsarchivs komplett zerstört. Die nächsten Aufnahmen zeigen ein leider nicht datierbares gut besuchtes Fußballspiel. Zaungäste außerhalb des Sportplatzes nutzen provisorische Podeste, um das Spiel zu verfolgen.
 
Das nächste Sujet zeigt die Merkurbrücke über die Murg, die 1923 eingeweiht wurde. An der Brücke hängt ein Transparent ‚Gebt Arbeit‘. Durch die Hyperinflation und Wirtschaftskrise 1923 ist diese politische Forderung zu erklären. Denn eigentlich entwickelte sich Gaggenau, ein Ort mit 3.111 Einwohnern (1910), zu einem der industriellen Zentren im Murgtal. Über 3.000 Personen arbeiteten im Eisenwerk, im Autowerk und weiteren Firmen (Turnerbund 2007, S. 32) und Gaggenau hatte eine große Gruppe an Arbeitern. Viele von ihnen waren Mitglied im Turnerbund, der mit viel Eigenarbeit seiner Mitglieder 1926 die Jahnturnhalle baute, die im nächsten Bild zu sehen ist. Sie wurde bei einem Luftangriff 1944 inklusive des Vereinsarchivs komplett zerstört. Die nächsten Aufnahmen zeigen ein leider nicht datierbares gut besuchtes Fußballspiel. Zaungäste außerhalb des Sportplatzes nutzen provisorische Podeste, um das Spiel zu verfolgen.
  
 
Eine Schrifttafel „Gauturnfest Gaggenau (Baden)“ leitet über zum Hauptsujet des Films über das Gauturnfest des Turngau Murgtal, das am 10. August 1913 vom Turnerbund Gaggenau 1882 e.V. organisiert wurde. Der Festzug marschiert durch die Innenstadt. Das Filmteam nimmt sie in der Adlerstraße auf, im Hintergrund ist das Portal der katholischen St. Joseph Kirche zu sehen. Es regnet und das Publikum an der Straße hat die Regenschirme aufgespannt. Deshalb sind die Fahnen der verschiedenen Vereine aus der Umgebung eingerollt. Aber vorneweg tragen sie Schilder mit dem Ortsnamen, die nur teilweise zu lesen sind. Der Film zeigt den Festzug nicht kontinuierlich, sondern die Aufnahmen springen von Gruppe zu Gruppe. Mit dieser Methode konnte das knappe Filmmaterial im Magazin rationell genutzt werden. Denn wenn der Kameramann neues Filmmaterial einlegen musste, verpasste er etwas vom Ereignis. Insgesamt gab es 1913 über 40 Turnvereine im Turngau Mittelbaden-Murgtal. Zu den ältesten gehörten der Rastatter Turnverein 1846 e.V., der Turnverein Bühl 1847 e.V. und der Turnverein von 1849 Gernsbach e.V. Die übrigen wurden zwischen 1882 und 1912 gegründet.  
 
Eine Schrifttafel „Gauturnfest Gaggenau (Baden)“ leitet über zum Hauptsujet des Films über das Gauturnfest des Turngau Murgtal, das am 10. August 1913 vom Turnerbund Gaggenau 1882 e.V. organisiert wurde. Der Festzug marschiert durch die Innenstadt. Das Filmteam nimmt sie in der Adlerstraße auf, im Hintergrund ist das Portal der katholischen St. Joseph Kirche zu sehen. Es regnet und das Publikum an der Straße hat die Regenschirme aufgespannt. Deshalb sind die Fahnen der verschiedenen Vereine aus der Umgebung eingerollt. Aber vorneweg tragen sie Schilder mit dem Ortsnamen, die nur teilweise zu lesen sind. Der Film zeigt den Festzug nicht kontinuierlich, sondern die Aufnahmen springen von Gruppe zu Gruppe. Mit dieser Methode konnte das knappe Filmmaterial im Magazin rationell genutzt werden. Denn wenn der Kameramann neues Filmmaterial einlegen musste, verpasste er etwas vom Ereignis. Insgesamt gab es 1913 über 40 Turnvereine im Turngau Mittelbaden-Murgtal. Zu den ältesten gehörten der Rastatter Turnverein 1846 e.V., der Turnverein Bühl 1847 e.V. und der Turnverein von 1849 Gernsbach e.V. Die übrigen wurden zwischen 1882 und 1912 gegründet.  
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[[Fichier:Gaggenau Jahnhalle Stadtarchiv Gaggenau.jpg|vignette|Der Turnerbund konnte 1926 die Jahnturnhalle einweihen (Foto: Stadtarchiv Gaggenau)]]
  
 
Im Film informiert eine Schrifttafel, dass der Bürgermeister die Turner begrüßt. Er steht am Lorbeer geschmückten Rednerpult inmitten der Honoratioren der Vereine. „800 Turner vollführen eine Gesamtübung (Keulenschwingen)“ heißt die nächste Tafel. Auf dem Sportplatz sind die Turner in Reihen angetreten und schwingen nahezu synchron die Keulen. Sie sind in einer Totale aufgenommen. Alle sind gleich angezogen mit langen weißen Hosen mit dunklem Gürtel, weißem Hemd und Krawatte. Am Ende des Berichts über das Turnfest turnt die Damenriege des Turnerbunds Gaggenau am Barren in Pumphosen, Matrosenblusen und Strümpfen, „um die ‚Sittlichkeit‘ nicht zu gefährden.“ (Turnerbund 2007, S. 32) Die Frauenabteilung wurde 1912 mit neun Töchtern aus Bürgerfamilien gegründet und war noch keine Selbstverständlichkeit. Gaggenau richtete dann 1929 das 2. Badische Landesfrauenturnen mit rund 2.500 Teilnehmerinnen aus allen 15 badischen Turngauen aus (Turnerbund Gaggenau 2007, S. 38). Auch hier gab es neben den sportlichen Wettbewerben einen Festzug durch die Stadt und ein großes Schauturnen auf dem Festplatz. In der Weimarer Republik wurden die körperlichen Aktivitäten von Frauen zwar anerkannt. „Als aber Frauen an die Öffentlichkeit traten und an Wettkämpfen teilnehmen wollten, entzündeten sich heftige Diskussionen über die physische und psychische Eignung des weiblichen Geschlechts, über die ästhetische Wertung und nicht zuletzt die moralischen Folgen.“ (Pfister und Langenfeld 1982, S. 979) Ein trainierter Körper könnte der Weiblichkeit schaden, da sie dadurch zu halben Männern würden, so die polemischen Argumente gegen den Frauensport. Von kirchlicher Seite wurde mit der Gefährdung der Sittlichkeit argumentiert. Von daher sind die Aufnahmen aus Gaggenau ein wichtiges Zeugnis von den Anfängen des Frauensports im Südwesten.
 
Im Film informiert eine Schrifttafel, dass der Bürgermeister die Turner begrüßt. Er steht am Lorbeer geschmückten Rednerpult inmitten der Honoratioren der Vereine. „800 Turner vollführen eine Gesamtübung (Keulenschwingen)“ heißt die nächste Tafel. Auf dem Sportplatz sind die Turner in Reihen angetreten und schwingen nahezu synchron die Keulen. Sie sind in einer Totale aufgenommen. Alle sind gleich angezogen mit langen weißen Hosen mit dunklem Gürtel, weißem Hemd und Krawatte. Am Ende des Berichts über das Turnfest turnt die Damenriege des Turnerbunds Gaggenau am Barren in Pumphosen, Matrosenblusen und Strümpfen, „um die ‚Sittlichkeit‘ nicht zu gefährden.“ (Turnerbund 2007, S. 32) Die Frauenabteilung wurde 1912 mit neun Töchtern aus Bürgerfamilien gegründet und war noch keine Selbstverständlichkeit. Gaggenau richtete dann 1929 das 2. Badische Landesfrauenturnen mit rund 2.500 Teilnehmerinnen aus allen 15 badischen Turngauen aus (Turnerbund Gaggenau 2007, S. 38). Auch hier gab es neben den sportlichen Wettbewerben einen Festzug durch die Stadt und ein großes Schauturnen auf dem Festplatz. In der Weimarer Republik wurden die körperlichen Aktivitäten von Frauen zwar anerkannt. „Als aber Frauen an die Öffentlichkeit traten und an Wettkämpfen teilnehmen wollten, entzündeten sich heftige Diskussionen über die physische und psychische Eignung des weiblichen Geschlechts, über die ästhetische Wertung und nicht zuletzt die moralischen Folgen.“ (Pfister und Langenfeld 1982, S. 979) Ein trainierter Körper könnte der Weiblichkeit schaden, da sie dadurch zu halben Männern würden, so die polemischen Argumente gegen den Frauensport. Von kirchlicher Seite wurde mit der Gefährdung der Sittlichkeit argumentiert. Von daher sind die Aufnahmen aus Gaggenau ein wichtiges Zeugnis von den Anfängen des Frauensports im Südwesten.

Version du 19 février 2021 à 17:54


Avertissement[1]

Résumé


Sport event in Gaggenau 1913

Métadonnées

N° support :  LFS03509 1
Date :  1913
Coloration :  Noir et blanc
Son :  Muet
Timecode :  00:05:28
Durée :  00:00:00
Format original :  16 mm
Genre :  Film amateur
Thématiques :  Sport, Gymnastique
Institution d'origine :  Haus des Dokumentarfilms

Contexte et analyse


One of the oldest films about a gymnastics festival has survived from Gaggenau, with the film sequences dating from different years between 1913 and around 1928. The film initially show the local Apollo cinema in Bergmannstrasse, which was opened by Mr. Dinges in 1912. The dating took place via the cinema poster for the film "Moritz mit dem Zopf" from 1913. The French comedian Charles Prince worked for Pathè from 1908. In France he became a star of early cinema with the character 'Rigadin' (German: Moritz) and between 1909 and 1920 more than 500 short films with this character were published (Schoenmakers 2008, p. 496). It is quite possible that the recordings of the Turnerfest 1913 were made as a local recording on behalf of the cinema owner, because in the early days this was a method to lure the audience into the cinema.

The next subject shows the Mercury Bridge over the Murg, which was inaugurated in 1923. A banner 'Give work' hangs on the bridge. This political demand can be explained by the hyperinflation and economic crisis of 1923. Because actually Gaggenau, a place with 3,111 inhabitants (1910), developed into one of the industrial centers in the Murg Valley. Over 3,000 people worked in the ironworks, in the car factory and other companies (Turnerbund 2007, p. 32) and Gaggenau had a large group of workers. Many of them were members of the Turnerbund, which built the Jahnturnhalle, which can be seen in the next picture, in 1926 with a lot of personal work from its members. It was completely destroyed in an air raid in 1944, including the club archive. The next recordings show a well-attended soccer game that unfortunately cannot be dated. Onlookers outside the sports field use makeshift platforms to watch the game.

A title "Gauturnfest Gaggenau (Baden)" leads over to the main subject of the film about the Gauturnfest of the Turngau Murgtal, which was organized on August 10, 1913 by the Turnerbund Gaggenau 1882 e.V. The pageant marches through the city center. The film crew recorded them in Adlerstrasse, with the portal of the Catholic St. Joseph Church in the background. It's raining and the audience on the street has opened their umbrellas. That is why the flags of the various clubs in the area are rolled up. But first of all they have signs with the place name, which can only be partially read. The film does not show the pageant continuously, but the footage jump from group to group. With this method, the scarce film material in the magazine could be used efficiently. Because if the cameraman had to put in new footage, he was missing something from the event. In total there were over 40 gymnastics clubs in the Turngau Mittelbaden-Murgtal in 1913. The oldest were the Rastatter Turnverein 1846 e.V., the Turnverein Bühl 1847 e.V. and the Turnverein von 1849 Gernsbach e.V. The others were founded between 1882 and 1912.

In the film, a title informs that the mayor welcomes the gymnasts. He stands at the laurel-decorated lectern amidst the dignitaries of the clubs. “800 gymnasts perform a complete exercise (club swinging)” can be read on the next title. The gymnasts have lined up on the sports field and swing their clubs almost synchronously. They are recorded in a long shot. All are dressed in the same way with long white trousers with a dark belt, white shirt and tie. At the end of the report on the gymnastics festival, the ladies of the Gymnastics Association Gaggenau do gymnastics on parallel bars in bloomers, sailor blouses and stockings, "so as not to endanger 'morality'" (Turnerbund 2007, p. 32) founded and was not yet a matter of course. In 1929, Gaggenau organized the 2nd Baden regional women's gymnastics with around 2,500 participants from all 15 Baden gymnastics districts (Turnerbund Gaggenau 2007, p. 38). Here too, in addition to the sporting competitions, there was a parade through the city and a large exhibition gymnastics on the fairground. In the Weimar Republic, physical activities by women were recognized. "But when women went public and wanted to take part in competitions, violent discussions arose about the physical and psychological suitability of the female sex, about the aesthetic evaluation and, last but not least, the moral consequences." (Pfister and Langenfeld 1982, p. 979) A well-trained body could damage femininity, as it would make you half men, so the polemical arguments against women's sport. The church argued that there was a threat to morality. Therefore, the recordings from Gaggenau are an important testimony to the beginnings of women’s sport in the southwest as well.

Kay Hoffmann

Lieux ou monuments


Gaggenau

Bibliographie


PFISTER, Gertrud, LANGENFELD, Hans, Vom Frauenturnen zum modernen Sport. In: UEBERHORST, Horst (Hg.), Geschichte der Leibesübungen Bd. 3/2. Leibesübungen und Sport in Deutschland vom Ersten Weltkrieg bis zur Gegenwart. Berlin, München, Frankfurt/M.: Bartels und Wernitz Verlag 1982, S. 977-1007; SCHONEMAKERS, Henri (Hg.), Theater und Medien: Grundlagen, Analysen, Perspektiven: eine Bestandsaufnahme Kultur- und Medientheorie. transcript Verlag: Bielefeld 2008; TURNERBUND GAGGENAU 1882 e.V. (Hg.), Turnen & Sport & Menschen & Emotionen, Gaggenau 2007; TURNGAU MITTELBADEN-MURGTAL (Hg.), 25 Jahre Turngau Mittelbaden-Murgtal e.V., 1973.


Article rédigé par

Kay Hoffmann, 19 novembre 2020


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