Urlaunsreise durch Europa (LFS01193) : Différence entre versions

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Schafe und Ziegen mit Hirten auf Waldweg / Alpenpanorama / Eingang zum Hotel Bellevue Simplon-Kulm am Simplon Pass /
 
Schafe und Ziegen mit Hirten auf Waldweg / Alpenpanorama / Eingang zum Hotel Bellevue Simplon-Kulm am Simplon Pass /
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|Contexte_et_analyse_de=Die Städtebilder reihen sich aneinander: Freudenstadt, Baden-Baden, Zürich, gefolgt von den Schweizer Alpen am Simplon-Pass. Der Amateurfilm versammelt Eindrücke in ihrer Vielfalt – und belässt ihnen das Fremde, das dem Reisenden begegnet. Der Film zeigt die Kehrseite dessen, was Urlaub im Nationalsozialismus sein sollte: Förderung der Volksgemeinschaft, Anschauungsunterricht, der ein überlegenes Vaterland sichtbar macht, präsentiert von parteilich geschulten Reisebegleitern.
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Im November 1933 wurde das Freizeitwerk ‚Kraft durch Freude‘ (KdF) gegründet, das mit Nah- und Fernreisen der Ertüchtigung und Erbauung des deutschen Volkes dienen sollte. Es richtete sich an Arbeiter und Angestellte, denen Adolf Hitler nun zwei bis drei Wochen Urlaub gewährt hatte. Was sich bis dahin nur die Oberschicht leisten konnte, wurde auch der Arbeiterklasse zugestanden. ‚Kraft durch Freude‘ war eine Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront, mit der Hitler die Unterschichten in die gesellschaftliche Neuordnung des NS-Staates einbinden konnte.
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Zuständig für die Organisation der KdF-Reisen war das Amt für Reisen, Wandern und Urlaub, das zwischen 1934 und 1939 sieben Millionen Touristen beförderte. Der größte Teil waren Tagestouren und Wanderungen, die schon für fünf Reichsmark zu haben waren. Winterreisen brachten eine bessere Auslastung der Ski-Orte und dienten aus Sicht des NS-Regimes in besonderer Weise einem gesunden, leistungsstarken Volk. Geradezu zum Synonym für den KdF-Urlaub wurden die Schiffsreisen nach Norwegen, Italien oder Griechenland, bei denen die Parteipropaganda mit dazugehörte.
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Der Amateurfilm entzieht sich dieser ideologischen Vereinnahmung der Freizeit. Silhouettenhaft kommt die Stadtkirche von Freudenstadt in Sicht. Urlauber mit Skiern gehören zum Alltagsbild. Der Schwenk vom Neptunbrunnen endet auf einem Sportwagen-Cabriolet und die elegante Dame davor kommt mit ihrem Terrier größer ins Bild. Freudenstadt, der beliebte heilklimatische Kurort im Schwarzwald: Eine kleine Urlaubsgeschichte könnte hier beginnen – doch der Film schweift gleich wieder ab. Ein kleiner Junge zieht die Aufmerksamkeit auf sich, wie er gedankenverloren in der Abendsonne steht.
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Eine letzte Stadtansicht von Freudenstadt – und der Film springt ins hell erleuchtete Baden-Baden auf die Promenade in den Kurkolonnaden. Impressionen von Urlaubsorten folgen einander, machen ihre eigene Atmosphäre spürbar. Baden-Baden, die mondäne Bäderstadt nahe der französischen Grenze: 1938 war auch dort die Synagoge zerstört worden, doch zuvor sah das NSi-Regime von einer Judenverfolgung im Weltbad ab. Baden-Baden diente als ‚Besuchskarte‘ Deutschlands: Im Kurort sollten ausländische Gäste Gelegenheit haben, sich vom geordneten Gang der Dinge im NS-Staat zu überzeugen.
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Der Film scheint noch etwas von dieser Offenheit einzufangen. Die Hakenkreuzfahnen am Kurhaus verschwinden fast hinter dem gelassenen Treiben. Die beständige Bewegung der Spaziergänger schafft einen atmosphärischen Raum, in dem nur der schwarze Terrier wieder auftaucht und für ein wenig Kontinuität sorgt. Die Eindrücke stehen für sich selbst, versammeln sich entlang der Bewegung der Flaneure, die auf die Lichtentaler Allee und an der Oos führt, der malerisch in der Frühlingssonne glitzert.
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Zürich, Schweizer Landesausstellung 1939: Eine andere Welt in Farbe erscheint mit einem harten Schnitt. Farbe gab es im Amateurfilm schon seit Mitte der 1930er Jahre, doch das scheinbar realistische Medium taucht das Ausstellungsgelände verstärkt in die Atmosphäre einer Kunstwelt. Die ‚Landi‘ war am 6. Mai 1939 eröffnet worden. Am unteren Seebecken des Zürichsee präsentierte sich die Schweiz von ihrer modernen und traditionellen Seite. Der Film hält sich an die optisch attraktive linke Seeseite mit den neuesten Errungenschaften aus Industrie, Technik und Wissenschaft. Eine Seilbahn überquert die Distanz von 900 Metern zwischen den beiden Seeseiten, was damals Weltrekord war. Durch die Luft mit der Seilbahn in 75 Metern Höhe; oder – eine weitere Attraktion, entworfen von Ingenieuren der ETH Zürich – zu Wasser im Schifflibach auf 1.600 Metern Länge, vorbei an den Ausstellungspavillons. Die Skulptur „Knabe und Pferd“ des Züricher Bilhauers Otto Charles Bänninger setzt auf dem zentralen Platz einen Kontrapunkt im traditionellen Stil. Für die Schweiz sollte die Ausstellung selbst ein Symbol der geistigen Landesverteidigung gegen die aggressive Annexionspolitik des Nazi-Regimes sein. Noch während der Ausstellung begann der Zweite Weltkrieg.
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Für die KdF-Reisenden war die Fahrt auf die Zugspitze ein Höhepunkt. Die Reise der besser betuchten Urlauber im Film führt in die Schweizer Alpen an den Simplon-Pass, der auf 2.005 Metern Höhe das Rhonetal im Kanton Wallis mit Italien verbindet. Die harsche Bergwelt tritt hervor in ihrer visuellen Erscheinung: eine Herde mit Walliser Schwarznasenschafen auf der Straße oder die Gipfel mit spärlichem Schnee im Schwarz-Weiß-Kontrast. Die elegante Dame vom Anfang in Freudenstadt betritt das Bellevue-Hotel Kulm, wie zufällig noch einmal in den Film geraten. So wie auch, ganz unvermittelt, das Farbbild am Schluss mit einem südländischen Hotel zwischen Palmenbäumen.
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Reiner Bader
 
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Version du 15 avril 2020 à 14:31


Avertissement[1]

Résumé


Filmisches Dokument einer Reise durch Europa.

Description


Freudenstadt im Schwarzwald: Stadtkirche / Marktplatz / Neptunbrunnen / Frau am Brunnen / Personen mit Skiern auf Schulter / Kuranlage Baden-Baden: Allee beim Kurhaus / Straßenbild mit Stiftskirche / Gebäude mit Hakenkreuzbeflaggung / blühende Krokusse und Sträucher / Frau auf Bank im Spiel mit Terrier / Fluss Oos / Zürich: Schweizerische Landesausstellung "Landi" mit Festbeflaggung und Freizeit- und Vergnügungspark auf dem Ausstellungsgelände: Landi - Schwebebahn / Schifflibach mit kleinen Booten / Riesenrad, Kleinbahnen (v.E.) / Flaniermeile "Höhenstraße" mit weißer auffallend großer Skulptur am Ufer des Züricher Sees / zahlreiche Ausstellungsbesucher (v.E.) /

Schafe und Ziegen mit Hirten auf Waldweg / Alpenpanorama / Eingang zum Hotel Bellevue Simplon-Kulm am Simplon Pass /

Métadonnées

N° support :  LFS01193
Date :  Entre 1938 et 1939
Coloration :  Noir et blanc
Son :  Muet
Durée :  00:05:28
Format original :  16 mm
Genre :  Film amateur
Thématiques :  Thermalisme, Le Rhin, symbole transfrontalier, Tourisme transfrontalier, Fêtes locales
Institution d'origine :  Haus des Dokumentarfilms

Contexte et analyse


Die Städtebilder reihen sich aneinander: Freudenstadt, Baden-Baden, Zürich, gefolgt von den Schweizer Alpen am Simplon-Pass. Der Amateurfilm versammelt Eindrücke in ihrer Vielfalt – und belässt ihnen das Fremde, das dem Reisenden begegnet. Der Film zeigt die Kehrseite dessen, was Urlaub im Nationalsozialismus sein sollte: Förderung der Volksgemeinschaft, Anschauungsunterricht, der ein überlegenes Vaterland sichtbar macht, präsentiert von parteilich geschulten Reisebegleitern. Im November 1933 wurde das Freizeitwerk ‚Kraft durch Freude‘ (KdF) gegründet, das mit Nah- und Fernreisen der Ertüchtigung und Erbauung des deutschen Volkes dienen sollte. Es richtete sich an Arbeiter und Angestellte, denen Adolf Hitler nun zwei bis drei Wochen Urlaub gewährt hatte. Was sich bis dahin nur die Oberschicht leisten konnte, wurde auch der Arbeiterklasse zugestanden. ‚Kraft durch Freude‘ war eine Unterorganisation der Deutschen Arbeitsfront, mit der Hitler die Unterschichten in die gesellschaftliche Neuordnung des NS-Staates einbinden konnte.

Zuständig für die Organisation der KdF-Reisen war das Amt für Reisen, Wandern und Urlaub, das zwischen 1934 und 1939 sieben Millionen Touristen beförderte. Der größte Teil waren Tagestouren und Wanderungen, die schon für fünf Reichsmark zu haben waren. Winterreisen brachten eine bessere Auslastung der Ski-Orte und dienten aus Sicht des NS-Regimes in besonderer Weise einem gesunden, leistungsstarken Volk. Geradezu zum Synonym für den KdF-Urlaub wurden die Schiffsreisen nach Norwegen, Italien oder Griechenland, bei denen die Parteipropaganda mit dazugehörte. Der Amateurfilm entzieht sich dieser ideologischen Vereinnahmung der Freizeit. Silhouettenhaft kommt die Stadtkirche von Freudenstadt in Sicht. Urlauber mit Skiern gehören zum Alltagsbild. Der Schwenk vom Neptunbrunnen endet auf einem Sportwagen-Cabriolet und die elegante Dame davor kommt mit ihrem Terrier größer ins Bild. Freudenstadt, der beliebte heilklimatische Kurort im Schwarzwald: Eine kleine Urlaubsgeschichte könnte hier beginnen – doch der Film schweift gleich wieder ab. Ein kleiner Junge zieht die Aufmerksamkeit auf sich, wie er gedankenverloren in der Abendsonne steht. Eine letzte Stadtansicht von Freudenstadt – und der Film springt ins hell erleuchtete Baden-Baden auf die Promenade in den Kurkolonnaden. Impressionen von Urlaubsorten folgen einander, machen ihre eigene Atmosphäre spürbar. Baden-Baden, die mondäne Bäderstadt nahe der französischen Grenze: 1938 war auch dort die Synagoge zerstört worden, doch zuvor sah das NSi-Regime von einer Judenverfolgung im Weltbad ab. Baden-Baden diente als ‚Besuchskarte‘ Deutschlands: Im Kurort sollten ausländische Gäste Gelegenheit haben, sich vom geordneten Gang der Dinge im NS-Staat zu überzeugen.

Der Film scheint noch etwas von dieser Offenheit einzufangen. Die Hakenkreuzfahnen am Kurhaus verschwinden fast hinter dem gelassenen Treiben. Die beständige Bewegung der Spaziergänger schafft einen atmosphärischen Raum, in dem nur der schwarze Terrier wieder auftaucht und für ein wenig Kontinuität sorgt. Die Eindrücke stehen für sich selbst, versammeln sich entlang der Bewegung der Flaneure, die auf die Lichtentaler Allee und an der Oos führt, der malerisch in der Frühlingssonne glitzert. Zürich, Schweizer Landesausstellung 1939: Eine andere Welt in Farbe erscheint mit einem harten Schnitt. Farbe gab es im Amateurfilm schon seit Mitte der 1930er Jahre, doch das scheinbar realistische Medium taucht das Ausstellungsgelände verstärkt in die Atmosphäre einer Kunstwelt. Die ‚Landi‘ war am 6. Mai 1939 eröffnet worden. Am unteren Seebecken des Zürichsee präsentierte sich die Schweiz von ihrer modernen und traditionellen Seite. Der Film hält sich an die optisch attraktive linke Seeseite mit den neuesten Errungenschaften aus Industrie, Technik und Wissenschaft. Eine Seilbahn überquert die Distanz von 900 Metern zwischen den beiden Seeseiten, was damals Weltrekord war. Durch die Luft mit der Seilbahn in 75 Metern Höhe; oder – eine weitere Attraktion, entworfen von Ingenieuren der ETH Zürich – zu Wasser im Schifflibach auf 1.600 Metern Länge, vorbei an den Ausstellungspavillons. Die Skulptur „Knabe und Pferd“ des Züricher Bilhauers Otto Charles Bänninger setzt auf dem zentralen Platz einen Kontrapunkt im traditionellen Stil. Für die Schweiz sollte die Ausstellung selbst ein Symbol der geistigen Landesverteidigung gegen die aggressive Annexionspolitik des Nazi-Regimes sein. Noch während der Ausstellung begann der Zweite Weltkrieg. Für die KdF-Reisenden war die Fahrt auf die Zugspitze ein Höhepunkt. Die Reise der besser betuchten Urlauber im Film führt in die Schweizer Alpen an den Simplon-Pass, der auf 2.005 Metern Höhe das Rhonetal im Kanton Wallis mit Italien verbindet. Die harsche Bergwelt tritt hervor in ihrer visuellen Erscheinung: eine Herde mit Walliser Schwarznasenschafen auf der Straße oder die Gipfel mit spärlichem Schnee im Schwarz-Weiß-Kontrast. Die elegante Dame vom Anfang in Freudenstadt betritt das Bellevue-Hotel Kulm, wie zufällig noch einmal in den Film geraten. So wie auch, ganz unvermittelt, das Farbbild am Schluss mit einem südländischen Hotel zwischen Palmenbäumen.

Reiner Bader

Lieux ou monuments


Freudenstadt, Baden-Baden, Zürich



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