Zeppelin und Autowäsche (LFS 06056 2)


Avertissement[1]

Résumé


A Zeppelin flies over Freiburg; two young men are cleaning their cars.

Description


Totale: Vorüberfliegender Zeppelin / junges Paar an einem Balkon, schauen lachend in die Kamera. / Halbtotale: zwei junge Männer putzen ihre Autos. Die Wagen tragen alte Nummernschilder für Baden (IV B 49413 und IV B 70925 ). / Blick aus dem Auto auf einen der putzenden Männer. / Halbtotale: Drei Frauen stehen im Halbkreis beieinander und unterhalten sich

Métadonnées

N° support :  LFS 06056 2
Date :  Entre 1927 et 1930
Coloration :  Noir et blanc
Son :  Muet
Timecode :  00:00:45
Durée :  00:00:45
Format original :  35 mm
Genre :  Film amateur
Thématiques :  Patrimoine industriel et agricole, Industrie
Institution d'origine :  Haus des Dokumentarfilms

Contexte et analyse


Ein Zeppelin, ein junges Paar und eine Autowäsche – das zeigt dieser kleine Film von rund einer Minute. Viel Zwischenraum tut sich auf zwischen den wenigen Einstellungen, ein Raum, der im erzählenden (Dokumentar-)Film verschwindet in der Kontinuität einer Geschichte. Ein Assoziationsraum gewissermaßen, Bilder einer kleinen filmischen ‚Collage‘, die in die kollektiven Fantasien der Deutschen führt.

Da ist zunächst der (Kamera-)Blick nach oben, eine Totale vom Freiburger Himmel um 1927. Ein Zeppelin schwebt diagonal im Bild und wechselt nach einem Schnitt die Richtung. Die Erscheinung eines Luftschiffes hat noch immer Erlebniswert, ist ein kleines ästhetisches Ereignis, das im bewegten Bild noch stärker wirken kann. Und das zum Blick in die Vergangenheit werden kann, in die Mentalitätsgeschichte der Deutschen, für die dieses steuerbare Luftfahrzeug einige Jahre zuvor zum Symbol technischen Fortschritts geworden war.

Ferdinand Graf von Zeppelin – ein ehemaliger Generalstabsoffizier, der sich ab 1891 ganz der Konstruktion von Luftschiffen widmete – hatte die deutsche Luftfahrt nicht nur in ein neues Zeitalter geführt, er hatte mit dem Zeppelin ein Sinnbild der Eroberung des Luftraumes geschaffen, das zum Objekt nationaler Identifikation wurde. Der Zeppelin ging ein in die Geschichte der Technikbegeisterung, die nach dem Unglück 1908 in Echterdingen – der „Z3“ explodierte – mit der Zeppelin-Spende eine Art Opferritual der Deutschen hervorbrachte. Ein neues Luftfahrzeug, mit dem man nebenbei den Vorsprung Frankreichs in der Luftfahrt aufholte. Als erhabene Erscheinung am Himmel gewann es eine fast schon mythische Aura, die die Nation im Begeisterungstaumel vereinte.

Das Bild eines Zeppelins konnte die Vergangenheit evozieren, die Zeit eines Deutschen Reiches, das in den 1920er Jahren einer instabilen Weimarer Republik gewichen war, die dabei ist, in die industrielle Moderne einzutreten. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie beanspruchen die bürgerlichen Schichten die Vorrangstellung. Und der Amateurfilm erweist sich auch als Medium der Darstellung des neuen bürgerlichen Selbstbewusstseins: Das junge Paar, das übergangslos nach dem Zeppelin erscheint und sich an der Balkonbrüstung zögerlich lächelnd in die Kamera dreht, scheint etwas von dem bürgerlichen Selbstgefühl verkörpern zu wollen, das im Amateurfilm in neuer Weise sichtbar werden kann. Die freie Zeit war für das Bürgertum seit dem 18. Jahrhundert ein Freiraum, in dem sich jene schwierige Balance leben ließ, mit der sich im Ideal der ‚Bildung’ ein universaler Anspruch des bürgerlichen Lebensstils behauptet. Sich selbst zu filmen – das war auch eine neue Möglichkeit, ein individuelles ‚Bild‘ von sich selbst zu produzieren und in der Freizeit das ‚Besondere‘ zu sein, das dieser Lebensstil zugleich forderte.

So erscheint es fast schon konsequent, wenn die nächste, halbtotale Einstellung des Films in den Außenraum vor dem Haus springt, um dieses Bild weiter ins Individuelle zu rücken: Zwei Männer – der eine von ihnen ist unschwer als derjenige vom Balkon zu erkennen – putzen ihre Autos, stellen sich gewissermaßen dar als Autobesitzer, während die Kamera mit einem Schwenk über die nebeneinander stehenden Wagen gleitet, die auf die alten badischen Kennzeichen zugelassen sind. Vormals ein Luxusobjekt der Oberschichten sollte das Auto nun zunehmend die Massen mobilisieren: Es wird zum Statussymbol, in dem sich das Fortschrittsbewusstsein der neuen bürgerlichen Käuferschichten manifestiert.

Die Autopflege vor dem Haus verwandelt sich in eine kleine filmische Bühne. Das hintere Seitenfenster wienernd der eine, langsam hinter der Vorderradverkleidung auftauchend der andere, kümmern sich die beiden Männer um die Oberflächen des Konsumobjekts Automobil: Speziell dessen neue Verbindung mit der Welt der Damen – konsequent aufgegriffen in der Autowerbung – lässt es in den 1920er Jahren zum Gegenstand des Luxuskonsums werden. Auch hier tritt der Anspruch auf eine individuelle Gefühlswelt hervor, deren Kehrseite die Massenproduktion einer anbrechenden Konsumgesellschaft ist, für die der amerikanische Fordismus, die Serienproduktion am Fließband, Modell steht.

Der Einstellungswechsel ins Innere des Wagens bringt dann – ein wenig überraschend – einen Schnitt „auf Anschluss“ in den kleinen Film, wie man es aus Spielfilmen kennt. Doch der Blick durch die Windschutzscheibe verweist zugleich auf das filmische Medium selbst, auf den ‚Bildschirm‘ der Windschutzscheibe und auf einen Blick, der den Lebensraum in Besitz nimmt durch neue Straßen, denen sich Städte und Landschaften fügen sollen. Die Silhouette des Lenkrads evoziert diesen ‚männlichen‘ Blick des Fahrers. Und der Besitzer des Wagens, der inzwischen am Kühler beschäftigt ist, erscheint im Blick durch die Scheibe ‚gerahmt‘ wie in einem Bild. Die Einstellung lässt beides assoziieren, den Raum, der in Zukunft dem Freiheitsmobil des Autos angepasst werden soll, und das Bild eines Ich, das sich alsbald eng mit der Identität des deutschen Mannes verbinden sollte. Die kleine filmische ‚Collage‘ folgt womöglich einer eigenen Logik, die dem ‚männlichen‘ Blick dann zuletzt noch, kaum sichtbar, eine kurze Einstellung mit drei Frauen hinzufügt, die sich im Halbkreis unterhalten: den ‚weiblichen‘ Blick eines verfeinerten Geschmacks, der nun ebenfalls zur kollektiven Fantasie des Automobils gehört.

Reiner Bader

Lieux ou monuments


Freiburg i.B.

Bibliographie


REINICKE, HELMUT, Deutschland hebt ab: der Zeppelinkult. Zur Sozialpathologie der Deutschen, Köln, Papyrossa 1998; SACHS, WOLFGANG, Die Liebe zum Automobil. Ein Rückblick in die Geschichte unserer Wünsche, Reinbek, Rowohlt 1984.



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