LFS04123 : Différence entre versions

(Page créée avec « {{FicheSupport |institution_dorigine=Haus des Dokumentarfilms |dateDebut=1937 |coloration=Noir_et_blanc |son=Muet |duree=00:02:48 |genre=Documentaire |format_original=35 m... »)
 
 
Ligne 10 : Ligne 10 :
 
|video=LFS04123
 
|video=LFS04123
 
|idSupport=LFS04123
 
|idSupport=LFS04123
 +
|Notes_de=Das Kinderfest mit Umzug in Gaggenau hatte sich zu einer regelrechten Tradition entwickelt. Es fand 1903 zum ersten Mal statt. Nach einer zehnjährigen Unterbrechung im und nach dem Ersten Weltkrieg wurde es ab 1924 wieder regelmäßig organisiert. Veranstaltet wurde es jeden Sommer vom „Gewerbe-Gesangs-Verein Gaggenau“. Die ersten Filmaufnahmen stammen von 1912 (LFS 3508), und danach wurden regelmäßig die Kinderfeste und der dazugehörende Jahrmarkt mit Filmkameras dokumentiert. Schaut man sich die verschiedenen Jahre an, so fällt auf, dass es immer wiederkehrende Elemente gibt, wie die Musikkapellen, die Kinder mit den mit Blumen und Brezeln geschmückten ‚Sommertagsstecken‘, die Motivwagen, die mit der Hand, mit Ochsen oder Pferden gezogen wurden, und Pferdekutschen. Die Motivwagen erinnern nicht von ungefähr an Fasnachtsumzüge der Region.
 +
Von daher sind die Aufnahmen des Kinderfestes von 1937 durchaus typisch, denn sie zeigen die erwähnten Elemente des Umzugs wie die Musikkapellen, die schön angezogenen Kinder mit den mit Blumen geschmückten Stangen, an deren Spitze eine Brezel steckt, die Motivwagen zu verschiedenen Themen und Aufnahmen vom Festplatz. Überraschend ist eher, was man nicht zu sehen bekommt. Denn bei vergleichbaren Ereignissen wie dem Umzug zu 600 Jahre Philippsburg (LFS 1407) sind NS-Formationen fester Bestandteil des Umzugs, die Stadt ist mit Hakenkreuzfahnen geschmückt und NS-Repräsentanten nehmen den Umzug auch ab. All dies fehlt in Gaggenau, zumindest in den überlieferten Bildern.
 +
Die Bilder sind zum Teil schlecht kadriert, Köpfe sind abgeschnitten oder das Bild hört in der Hälfte auf. In der Gruppe der Jugendlichen vor dem Eisstand der Firma Fischer aus Karlsruhe ist kein einziger uniformiert. Die Totalen wirken gestellt, da alle Personen in Richtung Kamera schauen und sich kaum bewegen. Die Aufnahmen wirken wie ein arrangiertes Tableau.  Nach den Aufnahmen vom Festplatz wird noch einmal der Umzug gezeigt mit einer Musikkapelle vorne weg. Es sind Herren mit schwarzen Anzügen, und viele tragen eine Melone auf dem Kopf. Es folgt eine große Gruppe von Kindern, die gut gekleidet sind, die Mädchen überwiegend in Weiß. Sie tragen die bereits angesprochenen ‚Sommertagsstecken‘ mit den Brezeln an der Spitze. Es folgen mehrere Motivwagen und dann zwei Jugendliche, die sich als Uhrwecker verkleidet haben. Und dann gibt es doch noch etwas ganz Außergewöhnliches zu entdecken. In dieser Sequenz sieht man oben rechts eine Fahne hängen. Sie ist mit einem schwarzen Punkt übermalt, der keine feste Größe hat, sondern pulsiert. Es ist zu vermuten, dass es eine Hakenkreuz-Fahne ist, deren Mitte später deutlich mit der Hand übermalt wurde. Dies ist ein Indiz, dass der Film nach 1945 überarbeitet und von allen NS-Symbolen bereinigt wurde, wie dies ebenfalls mit Lehr- und Unterrichtsfilmen gemacht wurde. Durch das Entfernen von Symbolen wie der Hakenkreuzfahne wurden sie ‚entnazifiziert‘ und konnten so als im Grunde unpolitische Filme weiter verwendet werden. Die Kürze des Films von unter drei Minuten spricht dafür, dass nach 1945 etliche Aufnahmen mit NS-Bezug entfernt wurden. Auf einem der nun folgenden Motivwagen sitzen vorne auf den Pferden zwei Jungs mit HJ-Uniformen. Der Wagen ist mit kleinen Hakenkreuzfahnen geschmückt, die bei der Retusche anscheinend übersehen wurden. Dafür gibt es auf der Vorderseite des Wagens wieder eine Stelle, die mit einem großen schwarzen Fleck überdeckt wurde. 
 +
Diese Vertuschungsaktion zeigt, dass auch das Kinderfest in Gaggenau 1937 politisch von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde und man die Indizien dafür nach Ende des Zweiten Weltkrieges ausradieren wollte. Dies geschah allerdings so dilettantisch, dass man die Fälschung bei genauer Betrachtung der Bilder deutlich erkennen kann. Solche Bearbeitungen von Fotos und Filmen sind kein neues Phänomen, sondern ebenfalls schon sehr früh nachzuweisen. Von daher zeigt sich auch hier, dass unser Vertrauen, dass ein Bild objektiv zeigt, was war, schon sehr lange zu hinterfragen ist.
 +
Kay Hoffmann
 
}}
 
}}

Version actuelle datée du 20 février 2019 à 10:45



Date :  1937

Coloration :  Noir et blanc
Son :  Muet
Durée :  00:02:48
Format original :  35 mm
Genre :  Documentaire
Droits :  LFS
Institution d'origine :  Haus des Dokumentarfilms

Notes


Das Kinderfest mit Umzug in Gaggenau hatte sich zu einer regelrechten Tradition entwickelt. Es fand 1903 zum ersten Mal statt. Nach einer zehnjährigen Unterbrechung im und nach dem Ersten Weltkrieg wurde es ab 1924 wieder regelmäßig organisiert. Veranstaltet wurde es jeden Sommer vom „Gewerbe-Gesangs-Verein Gaggenau“. Die ersten Filmaufnahmen stammen von 1912 (LFS 3508), und danach wurden regelmäßig die Kinderfeste und der dazugehörende Jahrmarkt mit Filmkameras dokumentiert. Schaut man sich die verschiedenen Jahre an, so fällt auf, dass es immer wiederkehrende Elemente gibt, wie die Musikkapellen, die Kinder mit den mit Blumen und Brezeln geschmückten ‚Sommertagsstecken‘, die Motivwagen, die mit der Hand, mit Ochsen oder Pferden gezogen wurden, und Pferdekutschen. Die Motivwagen erinnern nicht von ungefähr an Fasnachtsumzüge der Region. Von daher sind die Aufnahmen des Kinderfestes von 1937 durchaus typisch, denn sie zeigen die erwähnten Elemente des Umzugs wie die Musikkapellen, die schön angezogenen Kinder mit den mit Blumen geschmückten Stangen, an deren Spitze eine Brezel steckt, die Motivwagen zu verschiedenen Themen und Aufnahmen vom Festplatz. Überraschend ist eher, was man nicht zu sehen bekommt. Denn bei vergleichbaren Ereignissen wie dem Umzug zu 600 Jahre Philippsburg (LFS 1407) sind NS-Formationen fester Bestandteil des Umzugs, die Stadt ist mit Hakenkreuzfahnen geschmückt und NS-Repräsentanten nehmen den Umzug auch ab. All dies fehlt in Gaggenau, zumindest in den überlieferten Bildern. Die Bilder sind zum Teil schlecht kadriert, Köpfe sind abgeschnitten oder das Bild hört in der Hälfte auf. In der Gruppe der Jugendlichen vor dem Eisstand der Firma Fischer aus Karlsruhe ist kein einziger uniformiert. Die Totalen wirken gestellt, da alle Personen in Richtung Kamera schauen und sich kaum bewegen. Die Aufnahmen wirken wie ein arrangiertes Tableau. Nach den Aufnahmen vom Festplatz wird noch einmal der Umzug gezeigt mit einer Musikkapelle vorne weg. Es sind Herren mit schwarzen Anzügen, und viele tragen eine Melone auf dem Kopf. Es folgt eine große Gruppe von Kindern, die gut gekleidet sind, die Mädchen überwiegend in Weiß. Sie tragen die bereits angesprochenen ‚Sommertagsstecken‘ mit den Brezeln an der Spitze. Es folgen mehrere Motivwagen und dann zwei Jugendliche, die sich als Uhrwecker verkleidet haben. Und dann gibt es doch noch etwas ganz Außergewöhnliches zu entdecken. In dieser Sequenz sieht man oben rechts eine Fahne hängen. Sie ist mit einem schwarzen Punkt übermalt, der keine feste Größe hat, sondern pulsiert. Es ist zu vermuten, dass es eine Hakenkreuz-Fahne ist, deren Mitte später deutlich mit der Hand übermalt wurde. Dies ist ein Indiz, dass der Film nach 1945 überarbeitet und von allen NS-Symbolen bereinigt wurde, wie dies ebenfalls mit Lehr- und Unterrichtsfilmen gemacht wurde. Durch das Entfernen von Symbolen wie der Hakenkreuzfahne wurden sie ‚entnazifiziert‘ und konnten so als im Grunde unpolitische Filme weiter verwendet werden. Die Kürze des Films von unter drei Minuten spricht dafür, dass nach 1945 etliche Aufnahmen mit NS-Bezug entfernt wurden. Auf einem der nun folgenden Motivwagen sitzen vorne auf den Pferden zwei Jungs mit HJ-Uniformen. Der Wagen ist mit kleinen Hakenkreuzfahnen geschmückt, die bei der Retusche anscheinend übersehen wurden. Dafür gibt es auf der Vorderseite des Wagens wieder eine Stelle, die mit einem großen schwarzen Fleck überdeckt wurde. Diese Vertuschungsaktion zeigt, dass auch das Kinderfest in Gaggenau 1937 politisch von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde und man die Indizien dafür nach Ende des Zweiten Weltkrieges ausradieren wollte. Dies geschah allerdings so dilettantisch, dass man die Fälschung bei genauer Betrachtung der Bilder deutlich erkennen kann. Solche Bearbeitungen von Fotos und Filmen sind kein neues Phänomen, sondern ebenfalls schon sehr früh nachzuweisen. Von daher zeigt sich auch hier, dass unser Vertrauen, dass ein Bild objektiv zeigt, was war, schon sehr lange zu hinterfragen ist. Kay Hoffmann

Séquences